Ausgequetscht Cassy Carrington
Weißt du, was du mit Mariah Carey gemeinsam hast?
Wir beide haben einfach die gleiche Liebe zu Weihnachten. Und wir haben beide Weihnachtsmusik veröffentlicht: Mein erstes Mini-Weihnachtsalbum mit dem Titel „Weihnachtsradio“ - auf das ich sehr stolz bin - erschien am 9. November.
Du bist die „Kölner (DRAG)-Queen of Christmas“ – wie kam es dazu?
Ich kenne keine andere Dragqueen in Köln, die so offensichtlich Weihnachts-Shows macht. Ich habe damit vor 10 Jahren im Atelier Theater angefangen und spiele die Show inzwischen auch in anderen Städten - sie ist zu meinem jährlichen Highlight geworden.
Entstammt dein Name ursprünglich aus der US-Serie „Denver Clan“.
Ich habe die Serie als Kind geschaut und sie wurde ja gerade wieder neu aufgelegt. Da empfand ich „Carrington“ als sehr schönen, satten und edlen Name.
Übrigens: Mariah Carey kommt größenmäßig nicht an dich ran...
Nein, mit meiner Größe von 2,10 Meter (auf High Heils) sicherlich nicht. Und auch im Raum Köln gehöre ich bei sicherlich zu den größten. Ich sehe das als Vorteil, weil man Bein zeigen kann und auf der Bühne hat man eine gewisse Präsenz.
Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Ich würde mich als moderne Entertainerin bezeichnen, Drag ist da erst einmal zweitrangig. Ich drücke mich verschieden aus, da ich keine Inselbegabung habe, in der ich absolut spitze bin, aber ich denke, dass ich viele Sachen gut kann und biete ein Rundumpaket.
Wurdest du immer akzeptiert?
Mein Bühnen-Outing war mein zweites Outing. In meiner alten Heimat dem Münsterland gab es erst komische Blicke. Man konnte sich das nicht vorstellen. Als ich vor 10 Jahren erstmals eine Show dort absolvierte, drehte sich das Blatt: Ich wurde akzeptiert und man verstand, dass ich mir nicht nur einen Fummel anziehe, sondern dass ich den Anspruch habe, Kunst zu machen. Da haben auch meine Eltern verstanden.
Wie verbringst du denn die weihnachtliche Zeit „Zwischen den Jahren“?
Mit einem Cocktail am Pool. Ich bin nämlich über Weihnachten auf einem Kreuzfahrtschiff in die Karibik gebucht und performe da selbstverständlich auch mein Weihnachtsprogramm. Ich freue mich darauf – auch neue Menschen jeglicher Couleur kennenzulernen.
Wie verbringst du denn Weihnachten, wenn du nicht auf einem Kreuzfahrtschiff gebucht bist?
Wenn ich nicht beruflich unterwegs bin, dann feiere ich meist einen Abend mit Freunden und einen weiteren mit meiner Mutter.
Man kennt dich in der Musik- und Kulturszene an der Seite von Herrn Cosler.
Ich habe mit Herrn Cosler im Bereich Chanson zehn Jahre künstlerisch gearbeitet. Es war eine tolle Zeit und ich habe viel gelernt. Mit der Corona-Pandemie und den fehlenden Auftrittsmöglichkeiten, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich weiterarbeiten möchte und beschlossen Solopfade zu beschreiten und ins Pop-Fach zu wechseln. Wir haben uns aber absolut im Guten getrennt. Ich hoffe irgendwann eine eigene Band für Live-Auftritte zu haben.
Ist es nicht schwieriger allein auf der Bühne zu stehen?
Das ist wohl wahr, man kann sich auf den anderen verlassen und kleine Hänger im Programm kann man unmerklich überspielen. Aber ich habe es durch viele kleine Auftritte gelernt. Es ist übrigens schwieriger vor wenigen Leuten zu spielen und diese zu unterhalten, als vor vielen Leuten in einem großen Saal.
Wer ist für deine Texte und Musik zuständig?
Ich schreibe meine Texte mit größter Leidenschaft alle selbst. Früher mit 14 habe in Englisch geschrieben, heute fast nur noch in Deutsch, weil ich in der Vielschichtigkeit der deutschen Sprache viel mehr ausdrücken kann. Durch meine Arbeit habe ich Kontakte zu den Hamburger Produzenten Sebastian Treu und Stefan Rebelski knüpfen können. Zwischen uns besteht eine Art musikalische Seelenverwandtschaft; wenn ich denen einen Text gebe, weiß ich, dass die Umsetzung komplett in meinem Sinne verläuft
Du singst „An kalten Tagen“ mit Comedian Torsten Schlosser und „Bin Kummer gewohnt“ mit Franca Morgano, die mit ihrer Gruppe Magic Affair und dem Hit „Das Omen „Welterfolge feierte. Brauchst du „Rückendeckung“ auf der Bühne?
Mit Franca Morgano bin ich beim Cologne Pride aufgetreten. Beim Song „Bin Kummer gewohnt“ brauchte ich stimmliche Unterstützung mit Power. Franca hatte Lust und so ist dieses sehr ungleiche Duett entstanden: dann Franca ist misst 150 cm. Mit Torsten Schlosser, Comedian und Mit-Betreiber des Atelier Theaters, singe ich, weil seine Stimme eine tolle Tiefe hat.
Übrigens: Glückwunsch: Inzwischen hast du von der Jury des Bundesverband Popularmusik e.V. das Pop-Stipendium `23 erhalten.
Danke schön. So eine Unterstützung zu bekommen, in diesem Fall mit einem Geldpreis verbunden, war für mich bedeutsam, um für mich wichtige Projekt umsetzen zu können.
Deine Karriere fing mit dem Film „Romeos“! an …
Ein queerer Film, in dem es um die Trans-Thematik ging. Ich hatte gehört, dass dafür eine Dragqueen in einer prominenten Szene gesucht wurde. Es gab kein Casting. Ich hatte die Regisseurin Sabine Bernardi getroffen, die Chemie stimmte und ich bekam die Rolle. Es wurde ein erfolgreicher Film und so bin ich sogar international auf Festivals gesanglich aufgetreten. Alles um den Film war mein glücklicher Einstieg in die professionelle Welt von Kunst, Bühne und Film.
Danach warst du auch bei „Danni Lowinski“, „Sankt Maik“ und im „Tatort Dortmund“.
Ja, aber inzwischen ist mir die Film- und Fernsehwelt etwas suspekt, da sie immer Klischees abbildet. Queere Figuren werden oft übersexualisiert dargestellt oder verzerrt. Mir fehlt in deutschen Produktionen zu oft die wirkliche Motivation hinter queeren Charakteren.
Die Szene kennt dich auch als Moderatorin ...
Neben der Musik auf der Bühne habe ich die Moderation für mich entdeckt, u.a. beim CSD in Köln, Düsseldorf und Münster. Dann darf ich wie kürzlich auch einmal Sven Lehmann oder andere wichtige Persönlichkeiten ankündigen. Ich habe mich in meinem künstlerischen Tun immer breit aufgestellt, nicht nur, weil mir die Vielfältigkeit Spaß macht, auch weil man nur so überleben kann. Allein von Musik leben ist schwierig.
Mein neuestes Projekt ist eine Zusammenarbeit mit MERKUR. Da moderiere ich eine riesige Bingo-Casino-Show, die größte in NRW - wenn nicht gar in ganz Deutschland - und war damit gerade auf Tour. Diese fast dreistündige Show war ein großer Erfolg und wird 2024 fortgeführt.
Und einen Abend bevor eine junge Frau ihre Hochzeitsnacht verbringt, lässt du die Puppen tanzen…
Ich biete ein buntes Programm für Junggesell*innen-Abschiede an. Es ist eine einstündige Show, die auf das Thema „Hochzeit“ persönlich zugeschnitten ist; mit passenden Songs, einem Quiz und Ähnlichem. Ein großer Spaß!
Bekommt man da nicht selber Lust, das Brautkleid anzuziehen?
Ich mache das jetzt schon ein paar Jahre und ich habe absolut kein Interesse zu heiraten. Zum einen bin ich Single, aber der Gedanke an eine Hochzeit lässt mich kalt. Das ist ein Ritual, dass ich für mich nicht bräuchte.
Wie groß müsste denn der Mann deiner Träume sein?
Ich sag immer, in der Horizontalen ist es egal. Im Ernst: ich mag Menschen, die aufgeweckt und interessiert an Dingen sind, die neugierig sind und Humor haben. Äußerlich bin ich gar nicht so festgelegt, es kommt immer auf das Gesamtbild an.
Und last but not least betreibst du auch noch in NRW Aufklärung in Jugendeinrichtungen.
Das ist eines meiner mir wichtigsten Projekte in Jugendeinrichtungen und Schulen. Hier rede ich in voller Montur über Diversität und Vielfalt mit den Jugendlichen im Alter von 11 bis 19. Und zu 99% ist dies erfolgreich. Gerade in der Zeit, wo Queerfeindlichkeit wieder zunimmt, muss an dieser Stelle mehr getan werden. Ich hätte das in meiner Jugend selber gebraucht.
Was stört dich an der Community?
Mir fehlt, dass wir zu wenig an einem Strang ziehen. Es gibt mir zu viele eigendynamische Gruppen innerhalb der Szene, wo ich das Gefühl habe, sie grenzen sich zu sehr von anderen ab. Bei nicht wenigen habe ich sogar Transfeindlichkeit entdeckt, vor allem in einer gewissen Altersgruppe. Ich kann mir nicht erklären, woher es kommt und wünschte mir mehr Toleranz untereinander.
Was möchtest du unbedingt noch erleben?
Mein Traum wäre eine eigene Show im Kölner GLORIA Theater. Ansonsten lebe ich sehr im Moment und versuche das JETZT zu genießen, weil keiner weiß, was morgen ist. Ich bin glücklich, künstlerisch an dem Punkt zu stehen, wo ich bin, daran hätte ich vor 10 Jahren niemals geglaubt.
Danke für das Gespräch und wir wünschen dir mit einem deiner Lieder, dem von Judy Garland übernommenem Klassiker: „Have yourself a merry little Christmas!“ viel Spaß auf See.