Olivers Reisen Sitges, solo para ti
Arbeiten wo andere Urlaub machen. Es gibt Schlimmeres. Sitges 14 Uhr, die Frisur sitzt.
Mein Homeoffice ist der Balkon unserer Ferienwohnung am Strand von Sant Sebastian, Meeresrauschen inklusive, bei 24 Grad. Spanien ist eines der beliebtesten Urlaubsorte der Querköpfe, so wie wir deutschen scherzhaft von manchen Einheimischen genannt werden.
Urlaub in ganz Spanien? Nicht ganz Spanien. Der kleine Künstler- und Küstenort bemüht sich besonders um seine Einwohner und die Touristen. An alle Lesende, es sind immer alle Geschlechter gemeint, Hossa.
Von Deutschland aus geht es fast klimaneutral in 2,5 Stunden Flugzeit nach Barcelona. Man kann auch den Zug nehmen, dauert halt etwas länger. In Barcelona El Parat gelandet geht es erstmal auf die Suche nach dem Reisegepäck. Auf dem Weg zum Gepäckband kann man in einem der beiden Freiluftcafés vom Airport erstmal eine rauchen, gracias.
Hat man all seine sieben Sachen zusammen, geht es in das gut 50 km entfernte Sitges. Man kann die S-Bahn nehmen, inklusive zweimal umsteigen. Endlose Treppen rauf und runter oder man nimmt den MON-Bus. Der schlecht gelaunte Fahrer freut sich über jeden Gast, der 7,50 EUR für die Strecke bezahlt. Gepäck kostet extra. Wenn der Chauffeur den Knopf für die Kofferraumklappen findet, ansonsten alles reingebuckelt in den Passagierraum, Training ist alles.
Nach einer Dreiviertelstunde hat man sein Ziel erreicht. Es empfiehlt sich die bequemere Fahrt mit einem weißen Taxi für 60 EUR. Die schwarz/gelben Taxen sind nur für die Fahrt in Richtung Barcelona City.
Es gibt wunderschöne Hotels im Badeort. Zwei empfehlenswerte Häuser sind gegenüber dem Bahnhof gelegen, in der Calle de Cuba. Das El Xalet gleich am Anfang, zwei Eselslängen weiter das Noucentista. Beide von einem Brüderpaar geleitet. Die Hotels sind eigentlich mehr Museen. Maximal 15 Zimmer, Kronleuchter an der Decke und freistehende Badewanne. Also richtig Urlaub. Raul und Oliver kümmern sich perfekt um ihre Gäste.
An Sommerabenden öffnet Raul die Terrasse am Swimmingpool als Freiluftrestaurant. Etwas teurer als das Sitgesniveau, aber saulecker. Reservierung dringend empfohlen.
Deutsch ist eine Fremdsprache in Spanien, steht auch in der Schule nicht auf dem Stundenplan. Ein paar Brocken Spanisch oder Englisch sind für den Reisenden hilfreich, ansonsten hat man ja noch Hände und Füße.
Hat man sich für eine Ferienwohnung entschieden, ist der zweite Weg nach der Ankunft im Ort, zu Mercadona, einem riesigen Supermarkt, links vom Bahnhof. Den Einkaufswagen vollgepackt, vor allem mit schweren Getränken, an der Kasse bei Jesús oder José, die Mitarbeiter tragen Namensschilder, bezahlt und dann die Karre stehen lassen. Für 4,72 EUR Aufpreis wird der gesamte Einkauf am nächsten Tag geliefert. Wenn man Glück hat auch von Jesús oder José höchstpersönlich.
Jetzt hat man sich das erste Cerveza (Bier) verdient. Nach dem Auspacken ab in´s Städtchen. Mit seinen 30.000 Einwohnern ein überschaubarer Ort, Berlin Prenzlauer Berg hat 300.000. Man kann hier alles bequem zu Fuß erreichen.
An größeren Hotels kann man sich auch für 10 EUR einen Drahtesel leihen. Ein richtiges Fahrradgeschäft gibt es nicht. Dafür allerdings zahllose Geschäfte für Vierbeiner und deren Herrchen. Die Mitnahme von Hunden ist in den meisten Unterkünften gestattet. Und wer in Sitges keinen Partner hat, der hat halt einen Perro (Hund). Tierärzte und Kliniken für Wauwis gibt es hier wie Sand am Meer.
Wenn der Einkauf am nächsten Tag geliefert wurde, kann erstmal die Stadt erkundet werden. Zahllose Cafés in der Fußgängerzone verkürzen den Spaziergang.
Trinkt man, wie bei Einheimischen und Taxifahrern üblich, das beliebte Cerveza pequenia (kleines Bier vom Faß) ist man mit 1,50 EUR dabei. Im übrigen ist das Preis/Leistungsverhältnis bei der Nahrungsaufnahme recht moderat. Achtung: Bei Gaststätten mit eingedeckten Tischen in Meeresnähe kann es schon mal teurer werden, und es schmeckt nicht.
Nicht so viele Klamotten aus Deutschland mitnehmen, der Ort ist berühmt für seine zahllosen Boutiquen. Und für einen schmalen Taler kann man sich den ein oder anderen Fummel zulegen.
Im Mittelpunkt des Ortes ist das Wahrzeichen die Kirche San Bartolomé y Santa Tecla. Der halbe Kirchturm ist von Weitem zu erkennen und dient gut zur Orientierung. Und wenn kein Gottesdienst ist, kann man sich das Bauwerk von innen ansehen.
Für so eine Kleinstadt gibt es erstaunlich viele Museen, Theater und Kinos. Und so einen Film auf katalanisch hat man auch nicht alle Tage. Man versteht zwar nix, aber die Atmosphäre ist genial.
Woher kommt der weltberühmte Rum Bacardi? Richtig, aus Sitges. Die Fledermaus auf dem Flaschenetikett steht als lebensgroße Bronzefigur an der Strandpromenade und ist ein beliebtes Fotomotiv. Leider hat das Casa Bacardi, ein Museum über die Firmengeschichte in der ehemaligen Markthalle dicht gemacht. Den Rum gibt es zum Glück noch.
Mit all den Einkäufen aus den Herrenboutiquen bepackt hat man sich ein Kaltgetränk verdient. Empfehlenswert ist das Parrots am Placa de Industria. Hingesetzt und beobachten, wie die Menschenmassen vorbei strömen. Sehen und gesehen werden. Das Parrots (Papagei) hat gerade seinen 40. Geburtstag gefeiert. Inzwischen gehören zu dem Unternehmen vier Cafés, ein Hotel, ein Restaurant und eine Filiale auf Gran Canaria. Der beleibte Chef läßt sich auch manchmal blicken. Sebastian sein Camarero vor Ort, ist nicht nur sichtbar tätowiert sondern auch sehr nett und packt als Cheffe jeden Tag selbst mit an.
Es gibt zahllose Kneipen für schwules Publikum. Eine Sauna, eine Dragqueen Show so mit Abendessen, und natürlich freundliche Spanier. So natürlich ist das auch wieder nicht, wenn man sich die Gesichter in den Straßen von Deutschland ansieht. Wildfremde Menschen grüßen Dich hier und wenn man will wird man vom Kellner mit Küsschen begrüßt.
Feste Nahrung
Verhungern wird man in Sitges nicht. Wer keine Lust hat in der Ferienwohnung selbst zu kochen, der hat mucho Auswahl an Restaurants. Beliebt sind Tapas Bars/Restaurants. An der Theke entlang sind in Glaskästen etliche Schnuffeleien. Man schnappt sich einen Teller und bedient sich. Die kalten Häppchen sind auf Weißbrot mit einem Zahnstocher zusammen gepiekst. Regelmäßig kommt aber auch ein Kellner mit warmen Speisen am Tisch vorbei. Zum Abschluß heißt es dann:“La quenta por favor“ (Die Rechnung bitte). Abgerechnet wird anhand der Anzahl der Zahnstocher die dann auf dem Teller liegen, tolles Prinzip.
Auf dem Weg zum Plaza de Industria liegt direkt neben dem Tabakladen ein schmackhafter Pizzaladen.
Die Pizza ist lecker und der Pizzabäcker nicht minder. In der Auslage liegen ein Duzend verschiedene Sorten. Wenn einem das katalanische Wort für Pizza mit Pilzen nicht einfällt, einfach mit dem Finger draufzeigen. Dann mit einem Getränk an den Tisch gesetzt und nach kurzer Zeit werden die tortengroßen Stücke auf einer schwarzen Schieferplatte serviert. Buen apetido.
Wenn immer noch was in´s Bäuchlein reinpasst, dann eine Tür weiter. Die Nussecken dort sind superb. Die örtlichen Konditoreien haben Weltruhm. Nicht selten sieht man Menschen mit einem Karton unter dem Arm. Das sind keine Amazon-Rücksendungen sondern Kuchen in allen Variationen.
Es gibt in Sitges geschätzt mehr Bäckereifachgeschäfte als Dönerbuden in Berlin.
Gegenüber von Pizzapaul ist ein nicht zu verstehende Imbissbude, die Pommes und Frankfurter Würstchen feil bietet. Finger weg! Es sei denn man hat die Kotztüte vom Flieger mit dabei.
Zeit zum Händewaschen. Das geht am besten im L´aixeta in der Passeig de Vilafranca, mitten in der Altstadt. Dort gibt es lecker Essen und Getränke auch das meiste Personal ist prima. Egal ob man mal muß oder auch nicht, den Weg in die Waschräume sollte man nicht versäumen. Sowohl bei Männlein als auch bei Weiblein (Selbstversuch), kommen aus der Wand des Waschbeckens gleich fünf Wasserhähne. Den Haupthahn aufgedreht und schon fließt aus allen Hähnen gleichzeitig Wasser. Pure Verschwendung aber lustig.
Einen Absacker bekommt man an jeder Ecke. Auf dem Weg nach Hause gibt es zudem einige Spätis, schweineteuer, kennt man ja von zu Hause.
Von Sitges aus ist man in gut einer Stunde mit dem Zug in Barcelona. Die Fahrt an den Klippen vorbei ist schon sehr imposant.
Vorher empfiehlt es sich allerdings noch einen Tag für eine Brauereibesichtigung einzuplanen. Ganz in der Nähe vom Flughafen befindet sich die Fabricacion von ESTRELLA DAMM, das Bier hier überhaupt. Sonntagmorgen geht es dann los. Die Tour gibt es auf Spanisch, Katalanisch und manchmal auf Englisch. Das ist aber eigentlich auch egal, denn man kann alles verstehen.
Der durstige Gast wir über mehrere Etagen geleitet wo Filme von der Geschichte der Brauerei gezeigt werden. Ist das nach 20 Minuten überstanden geht es in den Saal wo die eigentliche Verkostung stattfindet. Jeder Gast bekommt ein Tablett mit fünf verschiedenen Bieren gereicht und den jeweiligen unterschiedlichen Gläsern. Rechts stehen ein paar Salzbrezel, es ist immer noch Sonntagmorgen. Nach jeder Sorte die probiert wurde gilt es einen Bewertungsbogen auszufüllen, die Brauerei will ja schließlich wissen, ob sie alles richtig macht. Nach fünf Cervecas darf man durch die Souvenierabteilung, vielleicht ist ja noch ein Mitbringsel für die Liebsten zu Hause drin.
Die gesamte Anlage befindet sich in einem Industriegelände, somit empfiehlt es sich beim freundlichen Wachpersonal ein Taxi bis zum nächsten Bahnhof zu bestellen. Vamos a la Sitges.
Der nächste Tag eignet sich zum Shoppen im Nachbarort. Eine Station mit der Bahn und schon empfängt einen der kleine Ort Vilanova. Achtung, es gibt gut 10 Vilanovas in Spanien, also immer den Nachnamen dazu sagen, hierbei ist es Vilanova i la Geltru. Dort angekommen, geht es erst einmal auf die Terrasse der Bahnhofskneipe, Selbstbedienung. Mit Ernährung auf Wunsch an einem klapprigen Tisch kann man den Zügen Richtung Süden zusehen, wie sie mit Verspätung loslegen. Bei gut zehn Bahngleisen eine interessante Urlaubsbeschäftigung.
Danach geht es in die Fußgängerzone. Dort gibt es alle Filialen von großen Marken wie auch in Barcelona, außer Tschibo. Nach dem Einkauf dann in einem der zahlreichen Straßencafés unter freiem Himmel ein Bierchen zischen.
Mit vollen Einkaufstüten dann zurück nach Sitges. Dort wartet auch schon Ana (nur ein „n“) in ihrem Restaurant CAN GREGORI auf hungrige Gäste.
Ein Laden, geschmackvoll eingerichtet wie eine Betriebskantine, mit einer mediterranen Küche, die es in sich hat. Das Personal, also José, verzichtet auf elektronische Bestelldinger, er nickt.
Sehr bekömmlich ist die Revolution (Rührei) mit Gambas, nicht zu verachten ist auch die kalte Tomatensuppe, bekommt man selber so nicht hin.
Ein ganzes Menü kostet so 15 EUR Getränke und postre (Nachtisch) inklusive. Während José wirbelt, schneidet die Chefin den Schinken vom Schwein, oder was davon übrig geblieben ist, ab. Und das darf auch nur die Chefin. Bei der Präsentation der Teller mit Jamón, nascht Ana wie selbstverständlich, bevor die kleinen Kunstwerke serviert werden. Zum Abschluss des Erlebnisses bitte noch ein Hierbas (Kräuterschnaps) bestellen. Der steht nicht auf der Karte. Am besten zur Eistruhe gehen und dann auf das selbstgemachte giftgrüne flüssige Zeug zeigen. Der Weg danach zur Unterkunft ist dann göttlich.
Es gibt auch Elend in Sitges, und damit sind nicht die aufgetransten Türsteher vor den Diskotheken gemeint, vielmehr die Aussteiger von adios Alemania. Kennt man aus jeder Fußgängerzone auf der Welt. Menschen mit Kaffeebecher in der Hand, manche trinken daraus, andere sammeln damit Münzen.
Einige versuchen als Musiker ihr Taschengeld aufzubessern, eine Beleidigung für Ohr und Auge. Ein paar Profis sind aber dennoch dabei. Man kann danach seine Uhr stellen, sie konzertieren immer zur gleichen Uhrzeit am gleichen Ort. Applauso.
Ein Fahrrad kann man sich auch beim MIM Hotel direkt am Strand ausleihen. Darüber freut sich auch Mitinhaber Lionel Andres Messi Cuccittini. Ja, das ist der wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte argentinische Fußballer, der mit seinem Jahreseinkommen von 127 Mio Dollar nicht immer weiß wohin mit der Kohle. Er freut sich bestimmt über die 10 EUR Ausleihgebühr am Tag. Die geniale Dachterrasse des Hotels mit Swimmingpool und grandiosen Blick über das Städtchen ist für umme.
Hatte ich schon erwähnt, daß Sitges am Mittelmeer liegt genannt Playa de Oro, Goldstrand. Es sind gut drei Kilometer Plantschmöglichkeiten aufgeteilt in 13 Abschnitte. Die Strände mit Blick auf die Vorderseite der Kirche, werden hauptsächlich von Touristen frequentiert, hinter der Kirche ist der Strand bei den Einwohnern beliebt. Für diejenigen, die ihre Badesachen vergessen haben gibt es auch einen FKK Bereich.
Achtung, jetzt wird es gefährlich!
Bei einigen schwulen Gästen beliebt ist der Plataya de Mortes, richtig, der Todesstrand. Um ihn zu erreichen benötigt man festes Schuhwerk, reichlich Getränke und eine große Portion an Suizidgedanken. Der Trampelpfad dorthin führt entlang der viel befahrenen Bahnstrecke gen Süden. Die Maquinista (Lokführer) kennen keine 30er Zone und brettern wie die Stiere. Wenn man jetzt so ganz dicht an der Bahnlinie entlang läuft, dann wird man schon mal vom Zug angesogen, was regelmäßig vorkommt und dann ist der Urlaub subito finito.
Am letzten Zipfel von Sitges befindet sich das Hotel
Terramar mit angeschlossenem Golfplatz. Ein Tummelplatz für deutsche Zahnärzte mit Sportambitionen. Im Sommer wird auch dort die imposante Freilichtbühne bespielt. Am 29. Juli tritt dort die Combo Kraftwerk auf, leider schon ausverkauft. Aber für den alten (83) Haudegen Sir Thomas Woodward, besser bekannt als Tom Jones gibt es noch Restkarten. Ab und zu gibt es auch spanische Künstler, dann meistens kostenfrei. Kultur wird in Sitges gelebt, bravo.
Jetzt muß sich der Autor ersteinmal erholen. Eine Kugel Eis kostet inzwischen 4,50 EUR, ein kleines Bier 1,50 EUR, da fällt die Entscheidung nicht schwer.
Jetzt ist es aber wirklich Zeit für eine viaje (Reise) nach Barcelona, das ist aber eine andere Geschichte.