Im Interview Steffi List
Seit ihrem 16. Lebensjahr war sie Frontsängerin in etlichen Cover-Rock-Bands. Deutschlandweit bekannt wurde die Rockröhre aus Oberfranken durch Stefan Raabs Castingshow.
Steffi List, kennst du noch den Namen der Sendung von Stefan Raab, in der du vor ca. zehn Jahren den dritten Platz erreicht hast?
Klar kenne ich noch die komische Benennung der damaligen Castingshow „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“. Das war ganz einfach die Abkürzung für: „Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf“. Der Name kam zustande, weil beim vorangehenden TV-Total-Casting, bei dem Max Mutzke gewann, der Drittplatzierte Max Buskohl nach der Show nicht bei RTL auftreten durfte.
Hast du noch Kontakt zum Zweitplatzierten Gregor Meyle und zur Siegerin Stephanie Heinzmann?
Stefanie habe ich bei ihrem ersten Konzert in Würzburg Backstage besucht und Gregor habe ich nach der Show noch drei, viermal getroffen. Leider brach der Kontakt zu beiden recht schnell ab, da jeder von uns musikalisch sehr beschäftigt ist. Neidisch auf den Erfolg der beiden bin ich aber nicht. Bei Stefanie hat es ja gleich auf Anhieb geklappt; Gregors Erfolg setzte erst durch seine Teilnahme bei „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ ein. Jetzt hoffe ich, dass ich nun auch bald an der Reihe bin. J
Im Gegensatz zu Stefan Raab, der ja vom Fenster – besser gesagt vom Bildschirm – weg ist, gibt es dich noch. Würdest du den Weg noch genauso gehen, oder wärst du im Nachhinein gesehen lieber bei DSDS/The Voice of Germany (TVOG) aufgetreten?
Ich würde auf jeden Fall noch einmal den gleichen Weg wählen, bei Brainpool war alles sehr gechillt. Wir wurden während der Castingzeit von drei Monaten medientechnisch nicht peinlich dargestellt, so wie es bei DSDS und TVOG an der Tagesordnung ist. Natürlich sind die Sendezeiten um 20:15 Uhr bei DSDS und TVOG mega, die haben dadurch mehr Zuschauer als bei Stefans „TV total“ um 22:30 Uhr oder 23:15 Uhr. Das heißt, dass die Casting-Teilnehmer bei DSDS und TVOG einen viel höheren Bekanntheitsgrad hatten als die bei SSDSDSSWEMUGABRTLAD.
Du hast deine Alben in Eigenregie herausgebracht. 2009 „Why do you love me?“, 2010 „Trips“, 2011 „New Tattoo“, 2014 „Doppelter Boden“ und 2015 „Kaleidoskop“. Welches ist dein persönlichstes Album?
Das war „New Tattoo“. Nicht weil ich mir ein neues Tattoo habe stechen lassen, das war vorher schon da, sondern weil ich den Song speziell für meinen verstorbenen Vater und meine verstorbene Oma selbst geschrieben und komponiert habe.
Wo möchtest du in zehn Jahren beruflich stehen?
Ich liebe die Musik und meinen Job. Ich hoffe, dass ich auch noch nach den nächsten zehn Jahren Musik machen kann und mich mein Publikum hören möchte. Am liebsten wäre es mir natürlich, auf der Bühne irgendwann den Löffel abzugeben, so in ca. 50 bis 60 Jahren J Und natürlich habe ich auch schon wieder Lust, etwas Neues zu machen. Leider fehlt mir da auch die Zeit und letztendlich braucht man auch die notwendige Kohle; ihr wisst ja, dass ich meine Alben in Eigenregie herausbringe.
Deine beiden letzten Alben sind komplett mit deutschen Songs bestückt; wie kam es zum Wandel?
Da musste mein Produzent vom „Doppelten Boden“ schon viel Überzeugungsarbeit leisten, damit ich mich von englischsprachigen Songs abwandte. Der steht völlig auf deutsche Texte, eben weil er auch gecheckt hat, dass der Markt dafür offen ist. Er hat also immer auf mich eingeredet und irgendwann habe ich nachgegeben und es ausprobiert. Herausgekommen ist eine komplett deutschsprachige Scheibe, die ich sehr gelungen finde. Und ich fühle mich sogar sehr gut dabei, deutsche Texte zu singen.
Was war zuerst da, das Huhn (der Text) oder das Ei (die Melodie)?
Ich glaube, das ist bei jedem Komponisten anders. Bei mir entsteht zuerst der Text und dann die Melodie. Andersherum habe ich es auch ein paar Mal probiert. Das gestaltete sich für mich viel schwerer, hat aber letztendlich auch geklappt.
Mal sehen, ob du verstehst, was wir meinen: Schaut man in ein „Kaleidoskop“, sieht man „Mosaik“-ähnliche Bilder…
Meint ihr mein Album „Kaleidoskop“, auf dem ich mit der Inklusionsband „Mosaik“ einen Song aufgenommen habe?
Exakt. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit „Mosaik“?
Ich bin da so reingerutscht J Vor Jahren fand eine Art DSDS-Casting in den Behindertenwerkstätten in Würzburg statt und ich wurde als Jurymitglied eingeladen. Die Teilnehmer hatten sich nach dieser Show geäußert, sie wollen weiter Musik machen und so wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust und Zeit hätte, eine Inklusionsband zu gründen. Da musste ich nicht lange nachdenken. Wir feiern nächstes Jahr unser fünfjähriges Bestehen und können auf viele große und kleine Live-Auftritte zurückschauen. Ich habe der Band sogar bei ihrem Auftritt im „Supertalent 2015“ beigestanden, wo sie Maffeys Hit „Ich wollte nie erwachsen sein“ gesungen haben.
Dein Song mit Christian Schmitt und Frederick Calloway auf „Kaleidoskop“ heißt „Jeden Tag feiern wir!“ Gehörst du zu den Personen, die gerne feiern?
Ja, auf jeden Fall, denn am nächsten Morgen kann die Lebenslage schon anders aussehen. Der Song ist übrigens deshalb entstanden, weil die Jungs trotz ihrer Behinderung voll Bock auf Leben haben und natürlich auch gerne mitfeiern.
Du engagierst dich aber nicht nur für gehandicapte Menschen, sondern auch für Kinder.
Stimmt. Ich bin Botschafterin der Schweinfurter und Würzburger Kindertafel e.V.; wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den sozial schwachen Schülern und Schülerinnen ein gesundes Pausenbrot zu organisieren, damit sie einen guten Start in den Schultag haben. So können sie gute Leistungen in der Schule bringen und wir hoffen somit einen guten Grundstein für ihr weiteres Leben zu legen. Dabei interessiert es uns nicht, warum die Kinder ohne Pausenbrot in die Schule kommen. Die jeweiligen Lehrkräfte teilen uns mit, wie viele Kinder so in die Schule geschickt werden. Im Moment verteilen wir ehrenamtlich 280 Tüten mit Brot, Getränken und Obst in den Grund- und Hauptschulen in Schweinfurt. Wir finanzieren uns nur durch Spenden, die wir eins zu eins wieder in Lebensmittel für die Kinder investieren. Dieses Projekt liegt mir sehr am Herzen und deshalb bin ich häufig unterwegs, auch musikalisch, um Spenden dafür zu sammeln. Übrigens setzt sich auch Uschi Glas für ein ähnliches Projekt in München ein.
In diesem Jahr war dein Song „Love“ offizieller Song des Berliner CSD...
…Worüber ich mich riesig gefreut habe. Mich hatte ein Fan auf die Homepage hingewiesen, auf der ein Aufruf zum Einreichen eines geeigneten Songs war. Daraufhin habe ich den Song, der schon auf meiner CD war, eingereicht. Und nach einer Abstimmung im Internet hat „Love“ gewonnen. Selbstverständlich habe ich das Lied auch beim Berliner CSD performt.
Bleiben wir nun bei den vier Buchstaben L-O-V-E und stellen dir ein paar ganz private Fragen. Erinnerst du dich an die erste große Liebe und dein erstes Mal?
Zuerst fand ich meine Kindergärtnerin ganz toll, aber meine erste große Liebe war ein Schulkamerad in der ersten Klasse. Er gab mir einen Kuss und haute dann ab.J Danach habe ich aber schnell gemerkt, dass mich Mädchen interessierten, und habe mich in Klassenkameradinnen verliebt.
Wie war das mit deinem Outing?
Mein Outing war schon etwas komisch. Es fand eher so nebenbei statt. Zuhause wurde nicht darüber gesprochen – eigentlich wussten es die meisten in meiner Familie und in meinem Freundeskreis, aber es sprach es keiner an.
Lebst du als Single oder hast du eine Beziehung?
Ich bin seit 16 Jahren in einer festen Beziehung. Meine Partnerin begleitet mich sehr oft zu den unterschiedlichsten Auftritten.
Hat es eine lesbische Frau in der heutigen Gesellschaft einfacher als ein schwuler Mann?
Generell würde ich sagen, ja wir Lesben haben es einfacher als schwule Männer. Mädels sind schon immer mal zu zweit auf die Toilette gegangen und man sah immer Freundinnen, die Händchen haltend miteinander durch die Straßen zogen. Das ist alltäglicher, als wenn zwei Männer so durch die Stadt flanieren. Natürlich haben wir Frauen es auch einfacher bei der Familienplanung. Aber für mich kam es nie in Frage, ein Kind auszutragen; das überlasse ich im Fall der Fälle meiner Partnerin.
Man sagt oft: „Die steht ihren Mann!“ Wie viele männliche Anteile stecken denn in dir?
Jede Menge: Bier, Frauen, Fußball. J Jetzt im Ernst: Ich musste schon sehr früh lernen, mich durchzusetzen. Als Frau in einer Band hatte ich anfangs Probleme, meine Meinung durchzuboxen. Nur mit Durchhaltevermögen und guten Argumenten hat es letztlich immer sehr gut geklappt.
2010 hast du als Botschafterin für die in Köln stattfindenden GayGames geworben. Wie sportlich bist du selber?
Früher habe ich bei den Jungs in der E- und D-Jugend Fußball gespielt. Danach habe ich es mit Tennis, Handball und Spinning versucht. Doch leider bleibt der Sport bei mir etwas auf der Strecke, da ich sehr viel Zeit in meine Musik und meine sozialen Projekte stecke.
Was bringt dich zur Weißglut?
Diskussionen über Religion, Politik oder das Frauenbild in anderen Ländern. Wenn man überhaupt darüber miteinander ins Gespräch kommt, schaukelt sich das ganz schnell hoch, sodass gar keine ernstzunehmende Diskussion entsteht, sondern jeder nur seine eigene Meinung vertreten will. Am besten, man räumt das Thema sofort vom Tisch, das endet eh’ nur im Streit.
Wann hast du das letzte Mal geweint?
Als ich mir den Film „Wasser für die Elefanten“ mit Reese Witherspoon, Robert Pattinson und Christoph Waltz angesehen habe. Ich konnte es nicht ertragen, dass der Elefant so gequält wurde; da sind bei mir die Tränen geflossen.
Wo gehst du hin, wenn du mal Luft ablassen musst?
Ich wohne auf einem alten Bauernhof und da gehe ich dann in meinen unmittelbar beim Haus liegenden Garten. Ich jäte Unkraut und beschäftige mich mit der Arbeit, die in so einem Garten anfällt. Das erdet mich und ich kann dabei wunderbar abschalten.
Wofür hättest du gerne mehr Zeit?
Für meine Freunde, die kommen nämlich echt zu kurz. Es ist einfach schwierig, Termine zu finden, um gemeinsam Essen zu gehen, sich einen Film anzusehen oder einfach mal zusammen zu sein.
Welche politischen Ereignisse beschäftigen dich zurzeit?
Die gesetzliche Gleichstellung von Homosexuellen und dass wir dabei seit Jahren auf der Stelle treten. Da engagiere ich mich auch beim Projekt „100% Mensch“ von Holger Edmeier und natürlich beschäftigt mich die Flüchtlingspolitik in Deutschland und ganz Europa.
Welche privaten/beruflichen Pläne stehen 2017 an?
Privat möchte ich gesund bleiben. Meine musikalischen Pläne für 2017 wären, wieder bei vielen CSDs auftreten zu können, weil ich dieses Jahr aus zeitlichen Gründen einige absagen musste. Außerdem möchte ich neue Songs schreiben und mit meiner Band wieder auf Tour gehen. Die Termine findet man auf www.steffi-list.de
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Steffi List im Oktober 2016 geführt.