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Entdeckerziele Temeswar

rb - 25.10.2019 - 07:00 Uhr

Die Stadt am westlichen Zipfel von Rumänien macht einfach Spaß. Denn hier verbinden sich kulturelle Authentizität, kulinarische Köstlichkeiten und Lebensfreude bestens. Rumänien ist ein großes und schönes Land, das durch die Auszeichnung von Temeswar als Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2021 in den Blickpunkt rückt. Viele sprechen hier sogar Deutsch, da dies die Heimat der Donauschwaben ist.

2021 – Temeswar im europäischen Fokus

Lange habe ich mich auf diese Reise gefreut. Rumänien hat für mich immer etwas Geheimnisvolles und Spannendes an sich gehabt, was ich nun selbst entdecken kann. Temeswar steckt mitten in den Vorbereitungen für das Festjahr. Es ist eine der größten Städte des Landes und blickt auf ein reiche Kulturgeschichte zurück. Es gibt viele Einflüsse: Tataren, Magyaren, Osmanen, Österreicher und Deutsche haben ihre Spuren hinterlassen, die heute noch wirksam sind. Am schicken Flughafen der Stadt werde ich von Daniel und Simion abgeholt. Daniel ist einer der Manager von „Timisoara 2021“ - so heißt Temeswar auf Rumänisch. Simion ist ein Organisationstalent, in Wien ansässig und immer dabei, wenn Dinge für Rumänien ins Rollen gebracht werden sollen. Die beiden fahren mit mir ins Zentrum zum Hotel Savoy, das ganz im Art Deco-Stil gehalten ist. Ein gemütliches und angenehmes Haus. Schnell die Koffer auf das Zimmer gebracht, dann geht es schon auf's Land. Wir besuchen ein Dorffest in Comlosu Mic. Auf einem Bauernhof finden Lesungen, Konzerte und Vorführungen statt. Und für das leibliche Wohl ist auch gesorgt. Ich treffe dort Simona Neumann, die verantwortlich ist für die Planung und Durchführung des Programm von Timisoara 2021. Etwas abseits von lebhaften Treiben des Dorffestes unterhalten wir uns über den Stand der Vorbereitungen. Sie legt großen Wert auf die Nachhaltigkeit des Programms in kultureller, sozialer und ökologischer Hinsicht. Denn diese europäische Auszeichnung soll ein ganzheitlicher und dauerhafter Impuls für die Region und darüber hinaus werden. Einer der Höhepunkt am heutigen Nachmittag ist der Auftritt von EXODUS, einem Straßentheater aus Israel – sehr originell und urkomisch. Dann lerne ich Vlad kennen. Der attraktive junge Mann mit den leuchtenden Augen ist Teil der sich emanzipierenden LGBTI*-Community von Temeswar, im Beruf Architekt. Wir klönen ein bisschen, und er gibt mir Einblick in die Entwicklung der drängenden Fragen: Rumänien, und besonders Temeswar ist im Begriff, Diversität als wichtiges Thema auch im europäischen Zusammenhang zu begreifen. Dazu wird die Auszeichnung als Kulturhauptstadt einen Beitrag leisten, davon ist Vlad überzeugt.

Nach einer geruhsamen Nacht im Hotel treffe ich dort Horatiu Rada, Vorstandsvorsitzender von Timisoara 2021. Der gelernte Ingenieur ist erfolgreicher Unternehmer, und seine Stadt ist ihm eine Herzenssache. Er investiert viel Zeit, Energie und auch finanzielle Mittel, um die Entwicklung von Temeswar zu fördern. Sein Enthusiasmus ist ansteckend und beflügelt. Mit Daniel und Alexandra erkunde ich anschließend die Innenstadt, mit ihren herrlichen Gebäuden aus vielen Epochen. Die Renovierung der edlen Fassaden ist im vollen Gange, damit alle noch schöner wird für die vielen Besucher in 2021. Gegenüber der imposanten Kathedrale fängt die Fußgängerzone an, gesäumt von netten Cafés und schnuckeligen Boutiquen. Mit Daniel besuche ich dann Andrei-Calin Lucaci, der zuständig ist für Fragen des Bezirks von Temeswar. Er gibt mir weitere Einblicke in die organisatorischen Fragen des Kulturhauptstadt-Projekts, das ja auch in die Region ausstrahlen wird. Strahlkraft hat auch das „Museum des kommunistischen Konsumenten“, wo wir anschließend die Räumlichkeiten besichtigen: Im Untergeschoss eines Freien Theaters begeben wir uns auf die  Zeitreise in die Vergangenheit der Ära Ceausescu: Liebevoll und mit einem Augenzwinkern hat Ovidiu mit seinen Leuten Gegenstände und Möbel der sozialistischen Epoche zu einer Art Wohnung arrangiert. Sehr sehenswert! Der Kontrast könnte nicht größer sein: Anschließend besuche ich die hypermoderne Julius Mall, wo der kapitalistische Konsum fröhliche Urständ feiert. Es gibt alles, was das Herz begehrt. Die Preise sind nach deutschen Maßstäben sehr moderat, die großen Marken sind vertreten.  Am Nachmittag bin ich mit Deea im Café Aethernativ verabredet. Der Name des Cafés ist Programm: Hier treffen sich alternative Szene und LGBTI*-Community zum Plausch. Deea engagiert sich im Verein Fluid Views für Diversität in Temeswar und ist davon überzeugt, dass das Jahr 2021 ein positiver Wendepunkt in dieser Hinsicht werden wird. Mit Daniel lasse ich im Brauhaus Beraria 700 den ereignisreichen Tag ausklingen. Bei Craftbeer und lokalen Spezialitäten spielen Musiker mit typischer Volksmusik auf. Ganz fabelhaft!

Temeswar ist historisch stark geprägt von deutschen und ungarischen Einflüssen. Das zeigt sich auch in kultureller Hinsicht. In der Fußgängerzone steht das große Gebäude des Nationaltheaters und Opernhauses, daran angeschlossen das Deutsche und Ungarische Theater. Carmen vom Deutschen Theater treffe ich am nächsten Morgen zu einem Gespräch. Sie erklärt mir den Spielplan und die Besonderheiten der deutschen Theaterkultur in der Stadt. Dann empfängt mich Christian Rudik vom Opernhaus. Selber Tenor mit reicher Bühnenerfahrung, leitet er die Opernsparte seit Jahren und gibt  mir sogar persönlich eine Führung durch das Haus. Am Nachmittag bin ich mit Mihaela und Sergiu im Reciproc verabredet. Beide haben Politikwissenschaft studiert und widmen sich nun der Social Economy. Teil dieses Projekt ist das Reciproc, wo man regionale Lebensmittel aus ökologisch-nachhaltiger Produktion zu fairen Preisen bekommt und auch verköstigen kann. Der Käse schmeckt hier besonders lecker.

Ausflug in die Region

Mit Delia fahre ich anschließend auf's Land, Richtung Osten. Unser erster Halt ist die Töpferei Lutelier in Dumbrava. Dort besichtigen wir die formschöne Keramik, alles in Handarbeit gefertigt. Dann geht es weiter zu den eindrucksvollen Holzkirchen um Margina. In Sintesti bestaunen wir im Dorfmuseum die regionalen Trachten und Alltagsgegenstände früherer Zeiten. In Costeiu de Sus besuchen wir Tante Emilia auf ihrem Bauernhof, die uns einen fabelhaften Schmaus der regionalen Küche kredenzt. Ein echter Geheimtipp! Bei dieser Reise in das Umland merke ich auch, wie großartig diese Landschaft ist und wie verbunden die Leute hier damit sind.

Am meinem letzten Tag dieser Reise holt mich morgens Simion ab. Er hat noch ein paar Dinge, die er mir zeigen möchte. Zunächst den Zoo von Temeswar: Hier finde ich die gewaltigen Bären in ihrem Gehege sehr beeindruckend. Die leben ja in Rumänien auch öfters in freier Wildbahn. Dann geht es weiter zum Freilichtmuseum, wo man die Häuser der verschiedenen Epochen und Nationalitäten der Region besichtigen kann. Wir machen einen ausgedehnten Spaziergang über das Gelände, und ich lerne viel über das Leben vergangener Zeiten. Anschließend fahren wir zu einer Craftbeer-Brauerei in Mosnita Noua. In dem schicken Hotel Castel Royal hat sich die Clinica de Bere einquartiert und produziert leckeren Gerstensaft. Dan zeigt mir die Brauerei und lässt mich natürlich auch mal probieren. Mit Adriana besichtigen wir danach das feine Hotel mit seinen Rittersälen und großzügigen Zimmern. Dann darf ich eine typische Spezialität des Hauses kosten: Mici sind ein rumänisches Nationalgericht, Hackfleischröllchen mit viel Knoblauch, dazu Bratkartoffeln und scharfes Gemüse. Das mundet sehr. Von dort geht unsere Fahrt noch zu einem persönlichen Freund von Simion: Dr. Adam Craciumescu ist ehemaliger Forstwirtschaftler und hat, nach einer erfolgreichen Karriere in Staatsdiensten, seine Liebe zum guten Wein auf seinem Gut Crama Aramic in der Nähe von Buzias in die Tat umgesetzt. Hier sitzen wir also noch gemütlich zusammen und verkosten edle Tropfen, bevor Simion mich zum Flughafen bringt. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in Rumänien! (

Mehr Infos:

www.capitalaculturala2021.ro

www.facebook.com/timisoara2021eu

www.timisoara2021.ro/en

www.prinbanat.ro/de

Videos zu Temeswar:

www.schwulissimo.de/reise

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