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Entdeckerziele Pilsen & Budweis: Bier – und noch viel mehr

rb - 22.02.2019 - 07:00 Uhr

Diese beiden Städte in Böhmen sind traditionelle Bier-Metropolen von Weltruf. Auch die Craft Beer-Szene feiert hier das flüssige Gold. Zum Bier gehört deftiges Essen, und das findet man in vielen Variationen und herzhafter Qualität. Aber Pilsen glänzt auch noch mit herrlicher Architektur, und Budweis ist ein barockes Kleinod. Eine Reise mit Höhepunkten.

Pilsen: Kulturhauptstadt in Westböhmen

Wer denkt nicht zuerst an Bier, wenn man Pilsen hört. Vielleicht nicht mehr ganz präsent ist die Tatsache, dass die Bier-Metropole im Jahre 2015 zur Europäischen Kulturhauptstadt gekürt wurde. Ich erreiche Pilsen über Prag. Mit dem Flieger in die tschechische Hauptstadt, von dort fahre ich mit dem Fernbus weiter. Was heißt hier „fern“? Pilsen liegt etwa eine Stunde entfernt, auch per Zug. Und es bietet vieles, was man auch in Prag bekommt. Allerdings ist es nicht so touristisch frequentiert. Also ein echtes Entdeckerziel. Um die Ecke vom schönen Marktplatz liegt das kleine, beschauliche Hotel Rango, hier nehme ich Quartier. Kurz die Zahnbürste ins Badezimmer gestellt, den Schlafanzug auf das Bett gelegt, dann geht es schon los. Eva erwartet mich an der Rezeption. Wir machen ein Tour durch die Stadt. Der Marktplatz ist die erste Attraktion: Herrliche Fassaden mit großbürgerlichem Anspruch, in feinen Pastelltönen gehalten. Bei Pilsen mag man auch an Industrie denken, da hier auch Skoda ein großes Werk betreibt. Und das ist auch richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Denn die Altstadt ist weitgehend denkmalgeschützt, mit wirklich sehenswerten Gebäuden. Apropos Architektur: Pilsen war auch Wirkungsstätte des großen Adolf Loos. Dieser Ausnahme-Architekt hat hier die Stadtwohnungen wohlhabender Bürger gestaltet, im Sinne eines sehr modernen Wohlfühlambientes, mit edlen Werkstoffen und hoher Funktionalität. Ornamentales war ihm fremd und schien überflüssig. Allerdings stand er auch dem Bauhaus-Stil eher kritisch gegenüber. Ein echter Solitär der Wohnkunst also. Wir besuchen verschiedene Häuser, die Loos wesentlich geprägt hat. So langsam knurrt der Magen, und ich freue mich sehr auf den Abend mit Silva. Sie begleitet mich auf den Marktplatz in das Lokal „Comix“. Hier labe ich mich mit  köstlichem Bier und Wildschweinschnitzel. Dann hat Silva eine Idee: Wo ich mich doch für Craft Beer interessiere, sie könnte ja mal bei Filip anrufen. Der hat auch Zeit und kommt vorbei. Filip ist ursprünglich aus Australien, seine Mutter ist zu Zeiten des Prager Frühlings, Ende der Sechziger Jahre, ausgewandert. Auf den Spuren seiner Vergangenheit ist er nach Pilsen gekommen, schlug sich durch als Englisch-Lehrer, wollte aber was Eigenes machen. Mit seiner Liebe zum Gerstensaft kam auch die Idee: eine Mikro-Brauerei. Die heißt „Raven“ und macht feine Sachen. Im urigen Pub „Francis“ können wir uns davon überzeugen, denn Filip beliefert auch örtliche Gastronomen.

Mit Silva gehe ich tags darauf ins Museum: Marionetten haben es mir ja angetan, und auch in Pilsen gibt es eine solche Tradition, die man in einem eigenen Museum bestaunen kann. Die hölzernen Kameraden mit teilweise skurriler Physiognomie haben darin auch in einem kleinen Theater ihren Auftritt. Das macht richtig Spaß!  Dann geht es weiter zu einem der wichtigsten Kulturinstitute der Stadt: Mit Direktor Dr. Frantisek Frýda unterhalte ich mich über das Konzept des Westböhmischen Museums, wo Exponate zur Geschichte und Gegenwart der Region eindrucksvoll präsentiert werden. In der Rüstkammer schauen wir uns Waffen vergangener Zeiten an. Aber das ist nur ein winziger Teil der Ausstellungen. Mittags bin ich mit Silva im Restaurant „Svejk“, wo ich etwas lerne über beliebte Snacks in Böhmen. Wenn es mal schnell gehen soll, dann isst man hier gerne gegrillten Käse, beliebt bei Jung und Alt. So bin ich auch gestärkt für einen Höhepunkt, nämlich die Besichtigung des ausgedehnten Geländes der Pilsner Urquell-Brauerei. Von den hochmodernen Produktions- und Abfüllanlagen, welche die ganze Welt beliefern, geht es dann unterirdisch weiter zu den alten Lagerräumen und Eichfässern. Hier taucht man ein in die Vergangenheit der Braukunst und kann auch so manchen Schluck verkosten. Wer noch mehr über die Entwicklung Pilsens zum Bierkultort erfahren möchte, kann das Brauereimuseum besichtigen. In der Altstadt gelegen, sind dort fabelhafte Bierhumpen und Brau-Utensilien aus früher Zeit zu besichtigen. Auf einer steilen Treppe im Haus geht es anschließend runter zu den Katakomben von Pilsen. Ein wahres Labyrinth der Gänge und Keller, faszinierende Einblicke in die Zeit zurück bis in das Mittelalter. Man sollte allerdings manchmal den Kopf einziehen, denn die Gänge sind nicht allzu hoch. Pilsen hat auch in Sachen Bühne einiges zu bieten. Davon kann ich mich abends überzeugen, beim Besuch des Neuen Theaters: Das Musical „West Side Story“ wird gegeben -  flotte Inszenierung, begabte Stimmen.

Der nächste Morgen fängt wieder gut an. Ich bin verabredet mit Goran. Der Bosnier betreibt am Marktplatz das „Orient Coffee“ und ist leidenschaftlicher Kaffeeliebhaber. Die Qualität ist entsprechend hoch. Ich probiere auch mal die heiße Schokolade mit Chili - da steht der Löffel drin, so „rich“ ist der Schokotrunk. Ein paar Schritte davon entfernt liegt das Museum für Volkskunde, wo ich eintauche in die Lebensrealität vergangener Generationen der Region.

Budweis: Südböhmische Gemütlichkeit

Ein großer Dichter hat Budweis mal das „böhmische Florenz“ genannt. Die barock geprägte Altstadt mit seinem riesigen Marktplatz, in dessen Zentrum der gewaltige Samson-Brunnen empor ragt, kann diese Aussage bestätigen. Mit dem Zug bin ich anderthalb Stunden von Pilsen nach Budweis gefahren. Josef empfängt mich mit einem strahlenden Lächeln am Bahnhof. Wir verstehen uns auf Anhieb prächtig. Gemeinsam fahren wir zum Hotel Budweis, einem edlen Haus, nahe der Altstadt. Zahnbürste und Schlafanzug im Zimmer deponiert, wie gehabt. Schwuppdiwupp: Erster Höhepunkt hier ist die Brauerei Budvar. Auch dieses Bier ist sehr bekannt. Allerdings nicht zu verwechseln mit der amerikanischen Marke. Mit Bohumil gehen wir durch die Anlagen der Bierproduktion, riesige kupferne Kessel, der Geruch von Hopfen und Malz umschmeichelt die Nase. Dann die Kostprobe: bestanden, mit Bravour! Josef schlägt anschließend vor, dass wir in das Restaurant „Magdalena“ fahren. Dort treffen sich die feinen und hippen Leute von Budweis. Und das bei Live-Musik. Ein Trio spielt gefühlvoll den Bossa Nova, die Stimmung ist relaxt. Und das Essen zünftig und herzhaft: Die Rehpastete ist sehr zu empfehlen. Anschließend ziehen wir noch ein bisschen um die Häuser. In Budweis gibt es auch Gay-Events, zum Beispiel das „Pink In“. Unseren Absacker nehmen wir nahe dem Marktplatz im „Krajinská 27“, einer Mikro-Brauerei mit süffigem Gerstensaft, die in einer der typischen Arkaden der Stadt liegt.

Im Südböhmischen Museum lerne ich in der Ausstellung zum Eishockey-Sport Ladislav kennen. Der war früher Profi und kann sehr kundig zur Begeisterung der Tschechen für den rauen Eis-Sport Auskunft geben. Unseren Lunch nehmen wir im Fer Cafe bei Lukas Cenek. Lukas betreibt dieses Bio-Lokal aus Überzeugung: Nicht nur die Speisen und Getränke sind ökologisch wertvoll, sondern auch die Einrichtung. Besonders die vegetarisch und vegan orientierten Menschen haben hier in Budweis einen Hotspot gefunden. Dann macht Josef mit mir einen Ausflug: Wir fahren nach Cesky Krumlov. Dessen Altstadt gehört zum Weltkulturerbe, mit sehenswerten Museen und schnuckeligen Häuschen. Allerdings ist dies nicht der Hauptgrund für unseren Besuch. Sondern das Fotoatelier Seidel. Um 1900 hat Josef Seidel seine einzigartige Karriere als Bildchronist dieser böhmischen Region gestartet. Er hat die Landschaften des Böhmerwaldes der damaligen Zeit fotografisch festgehalten. Und ein phänomenales Porträt-Archiv hinterlassen. Auf die Spuren von Josef Seidel begebe ich mich auf praktische Weise: Wir verkleiden uns mit Klamotten der Großväter-Generation und treten so im Atelier des Meisters vor die Kamera. Klara lichtet uns dabei vor gemalter Kulisse ab. Ein herrlicher Spaß, den viele Besucher des Museums ausprobieren. Ein echter Höhepunkt! Meine Reise lassen wir anschließend ausklingen in Hluboká nad Vltavou, das für sein wundervolles Schloss im Tudor-Stil auch bekannt ist. Wir besuchen zunächst die örtliche Brauerei, wo uns Kamila zum Umtrunk einlädt. Danach gehen wir nach nebenan in das Wirtshaus Solidní Sance, wo wir bei würzigen Speisen die Tage Revue passieren lassen. Übrigens: Wer seine nächste Reise nach Tschechien plant, der sollte mal einen Blick auf www.gaymap.cz werfen. Die gedruckte Version ist online kostenlos zu bestellen. Die Sommerausgabe, mit Schwerpunkt Moldau, ist ab Ende März verfügbar.

Mehr Infos:

www.pilsen.eu
www.c-budejovice.cz
www.jiznicechy.cz
www.visitbohemia.cz
www.czechtourism.com

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