Wahl in Hessen Was bedeutet das für LGBTI*?
Am 08. Oktober wird in Bayern und in Hessen der Landtag neu gewählt – während in Bayern das Ergebnis bereits jetzt größtenteils festzustehen scheint, wird in Hessen noch gekämpft. In Bayern kommt die CSU derzeit je nach Umfrage auf 36 bis 38 Prozent. Um den zweiten Platz kämpfen im niedrigen zweistelligen Bereich nach wie vor die Freien Wähler, die AfD und die Grünen, die SPD wird wahrscheinlich nicht über zehn Prozent der Stimmen erreichen, die FDP kämpft gar um den Einzug in den Landtag. In Hessen ist die Lage hingegen spannender, denn nebst einer CDU mit knapp 30 Prozent in den jüngsten Umfragen, trumpfen auch die SPD und die Grünen mit jeweils um die 20 Prozent auf.
So liefern sich die drei Spitzenkandidaten ein Rennen um den Chefsessel und das auch verbal. Der amtierende Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) erklärte: „Das Schlechteste, was diesem Land passieren kann, ist, dass eine Ampel es regiert. Das sehen wir ja auf Bundesebene.“ Ihm gegenüber steht die aktuelle Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD – ihr haftet noch immer der Fall Arne Schönbohm an: Im Herbst 2022 hatte sie ihn von der Spitze des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entbunden, einen triftigen und vor allem fundierten Grund scheint es nicht gegeben zu haben. Zuvor hatte lediglich das ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann eine Nähe von Schönbohm zu einem Verein thematisiert, der angebliche Kontakte zu russischen Geheimdiensten gehabt haben soll – Beweise gibt es dafür bis heute keine, Schönbohm klagte daraufhin. Die aktuelle Innenministerin ist vielen in der LGBTI*-Community jüngst auch deswegen aufgefallen, weil ihr Ministerium zuletzt vor der Sommerpause das geplante Selbstbestimmungsgesetz gestoppt hatte – die Bedenken lauteten damals, dass kriminelle Menschen sich durch einen Personenstandswechsel der Fahndung entziehen könnten. Inzwischen wurde der Passus im Gesetzesentwurf deswegen neu überarbeitet.
Der Dritte im Bunde ist der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), auch er will dem amtierenden Ministerpräsidenten das Amt abjagen, mit dem er aktuell noch in einer Koalition regiert. Doch was bedeuten die drei Kandidaten konkret für die LGBTI*-Community? Das Mitarbeiternetzwerk für LSBT in Polizei, Justiz und Zoll, VelsPol Deutschland, sowie der Lesben- und Schwulenverband Hessen (LSVD) und der LGBTI*-Verein vielbunt haben gemeinsam Wahlprüfsteine entwickelt und die Antworten der einzelnen Parteien ausgewertet. „Um sich eine vertiefte Meinung zu bilden, wird empfohlen, die Antworten der Parteien zu lesen“, so die drei Verbände.
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist der Aktionsplan in Hessen. Die Forderung ist klar: Dieser muss weiterentwickelt und finanziell stärker und langfristig im Haushalt präsent sein. Die regierende CDU dazu: „Für die nächste Novellierung planen wir einen wissenschaftlichen Beirat einzusetzen, der in einem verstärkten Dialog mit der hessischen LSBT*IQ-Community weiter an der Gestaltung des ´Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt´ arbeiten soll. Was die Finanzierung der zahlreichen Projekte betrifft, die unter dem ´Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt´ zusammengefasst sind, so ist diese nachhaltig gesichert, da diese ins deutschlandweit einzigartige Sozialbudget fällt.“ Auch die FDP und die Linken setzen sich für die Weiterentwicklung ein, die Grünen wollen zudem ein besonderes Augenmerk auf Unterstützungsangebote für Rainbow Refugees und queere Jugendliche legen, insbesondere im ländlichen Raum. Die SPD kritisiert dabei, dass der Aktionsplan bisher „hinter den Erwartungen“ zurückbleibe und betont auch hier die fehlende Unterstützung im ländlichen Raum.
Das zweite große Thema ist die auch in Hessen steigende Hasskriminalität gegenüber LGBTI*-Menschen. Für die SPD soll Hessen zu einer „LGBTIQ Freedom Zone“ werden; die Partei fordert unter anderem ebenso wie die Linken bessere und mehr Anlauf- und/oder Beratungsstellen für Opfer. Auch verlässliche Zahlen in puncto Statistik seien dabei wichtig – darauf setzt auch die CDU, die zudem präventive Maßnahmen initiieren und den Opferschutz verstärken will. Auch die Polizei solle besser für das Thema sensibilisiert und qualifiziert werden. Die Grünen setzen auf eine eigene „Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hasskriminalität“. Die FDP indes betont vor allem Aspekte, die bereits auf Bundesebene bekannt sind wie eine Ergänzung der Strafgesetzgebung.
Weitere Themen bei den LGBTI*-Wahlprüfsteinen waren die Stärkung von Regenbogenfamilien, mehr Respekt und Vielfalt im Bereich Bildung und Schule, ein stärkerer Diskriminierungsschutz und eine hessische LGBTI*-inklusive Verfassung sowie die auch auf Bundesebene geplante Ergänzung des Grundgesetzes. Auch soll die Benachteiligung von trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen gestärkt werden. Zuletzt geht es den drei Verbänden auch um ein besseres Leben für LGBTI*-Senioren und um eine LGBTI*-Vertretung im HR-Rundfunkrat. Die höchste Übereinstimmung zu den aufgestellten Forderungen will der Verein vielbunt dabei bei den Grünen, den Linken und der SPD festgestellt haben. Kritik kommt in Richtung CDU und FDP, weil diese weniger konkrete Zusagen liefern würden. Am Ende stellt der Verein fest: „Vielfalt und Akzeptanz sind keine leeren Phrasen, sie müssen mit Leben gefüllt werden.“
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