Entdeckerziele Southern Style in Georgia
Atlanta: Metropole der Vielfalt
Nach einem angenehmen Flug über den großen Teich lande ich auf dem „Busiest Airport“ weltweit. Ich hatte ein wenig Bedenken, ob ich mich da zurecht finden kann. Doch die Amerikaner haben das hohe Passagieraufkommen voll im Griff. Nach ein paar Formalitäten kann ich auch schon die Empfangshalle betreten und sehe ein Schild mit meinem Namen.
Victoria empfängt mich mit einem Lächeln: „How are you? How was your flight?“. Ich muss mich jetzt wieder umstellen. Von deutsch-mürrisch auf amerikanisch-fröhlich. Fällt mir gar nicht schwer. Um den Nachmittag noch zu nutzen, fahren wir erst mal zum CNN-Hauptquartier. Atlanta ehrt den Gründer des Nachrichten-Senders, Ted Turner, sogar mit einem Straßennamen. Und Atlanta macht dem Staatssymbol Pfirsich alle Ehre: Mehr als dreißig Verkehrswege haben Peach im Namen. Die gigantische Zentrale des größten News-Kanals der Welt ist allein schon diese Reise wert: Studios mit computergesteuerten Kameras, weltweite Vernetzung der Reporter in Echtzeit – CNN hat wirklich den Finger am Puls der Zeit. Nach diesen ersten überwältigenden Eindrücken haben wir beide Hunger. Da gibt es keine bessere Adresse, verrät mir Victoria, als das Twin Smokers BBQ. Wow! Die Südstaaten sind ja bekannt für deftige Küche, Kalorien werden hier nicht kleinlich gezählt. Bei den Twins kommt ordentlich was auf das Blech. Smoked Meat in vielen Variationen, dazu Bohnen, Maisbrot. Da kommen mir Bilder in den Sinn. Atlanta ist auch die Stadt der Margaret Mitchell, die das Südstaaten-Epos „Vom Winde verweht“ hier geschrieben hat. Ein Museum in Midtown erinnert an die große Schriftstellerin. Diese Stadt kann einerseits mit seinen über fünf Millionen Einwohnern und einer faszinierenden Skyline ohne weiteres mit Chicago und New York mithalten. Das Besondere ist andererseits, dass hier nicht nur Wolkenkratzer stehen, sondern viele Parks und Grünflächen zum Erholen einladen. Im Hotel Indigo Midtown nehme ich Quartier. Gabriele Webster aus Deutschland führt die Geschäfte. Wir halten ein kleines Schwätzchen. Jetzt erst mal ausruhen und den Jetlag besänftigen.
Gutgelaunt, wie immer, holt mich Victoria am nächsten Morgen im Hotel ab. Wir fahren zu der Gedenkstätte eines bedeutenden Mannes: Die Martin Luther King Jr. National Historic Site erinnert an den ermordeten Bürgerrechtler, der den Friedensnobelpreis für sein Schaffen erhielt. Wir besichtigen sein Geburtshaus ebenso wie sein Grab. Ein weiterer Nobelpreisträger, der in Atlanta politisch tätig war, ist Jimmy Carter. In die Geschichte ist er eingegangen als US-Präsident und Friedensstifter im Nahen Osten. Die Bühne der Welt hat Atlanta auch noch im Jahre 1996 betreten als Austragungsort der Olympischen Spiele. Stichwort Kultur: Das wird hier ganz groß geschrieben. Atlanta hat eine Tradition in Sachen Blues und Jazz. Und Kunst. Wir besuchen das High Museum of Art. Große Ausstellung zu Andy Warhol. Ganz mein Ding. Den Brunch nehmen wir in einem angesagten Musik-Restaurant, dem Venkman's. Peter Olson gesellt sich zu uns an den Tisch. Er hat mit einem Kumpel den Laden aufgezogen. Jeden Tag treten hier coole Bands auf. Und das Essen ist prächtig: Familienrezepte und exzellente Drinks. Peter ist als Musiker selber viel gereist, auch in Europa. Mit dem Venkman's hat er sich einen Traum verwirklicht, nachdem er mit Frau und Kindern sesshaft geworden ist. Auf unserem Programm steht jetzt noch ein weiteres Must See von Atlanta: das Georgia Aquarium. Es eines der größten seiner Art auf der Welt. Mantarochen, Walhaie – und natürlich Delfine. Die gelehrigen Tiere geben uns eine tolle Show, da sollte man allerdings in den ersten Reihen besser einen Regenschutz tragen. Wir sind begeistert. Dann noch etwas Kurioses: Es gibt hier auch Aldi. Ist so ähnlich wie bei uns. Victoria ist erst mal skeptisch. Ist so ein Steckenpferd von mir: Ein bisschen Heimat in der Fremde besuchen – und vergleichen. Ja, viele Produkte habe ich wieder erkannt. Manche sind eher dem hiesigen Markt angepasst. Dann sieht Victoria die Preise, und greift zu, nur so zum Probieren.
Aber zurück zur Hochkultur. Sehr gespannt bin ich am nächsten Tag auf das Fox Theatre, schräg gegenüber von meinem Hotel. Tolle Gegend übrigens. Nebenan im Georgian Terrace Hotel haben die Stars des Films „Gone with the Wind“ nach der Premiere genächtigt. Das Fox ist ein magischer Ort. Im Stile eines orientalischen Palastes in den Zwanzigern erbaut, finden heute hier große Acts auf der Bühne statt. Hier kann man übrigens auch Heiratsfeiern machen, Big Time sozusagen. Billy führt uns durch die Gemächer backstage. Der leuchtend blaue Kunsthimmel verleitet zum Träumen. Wir nehmen den Wagen zum Krog Street Market. Ein ganz anderes Atlanta. Eine hippe Shopping-Galerie mit schicken Restaurants. An einem Shop bekommen wir eine Geschmacksprobe: Xocolatl heißt das Projekt, Schokolade also vom Feinsten. Nur beste Zutaten, dazu noch nachhaltige Produktion. Das lobe ich mir. Natürlich wieder Kalorien. Also, ein bisschen Bewegung tut jetzt gut. Der Atlanta BeltLine Eastside Trail ist eine neu gestaltete Parklandschaft mit StreetArt und Vintage-Shops am Rande. Unser Ziel ist der Ponce City Market. Hier gibt es auf mehreren Etagen originelle Läden für jeden Geschmack. Und natürlich Cafés und Restaurants. Alles in einem urigen Ambiente. Auf meiner Liste steht jetzt Little Five Points, das Kiezviertel von Atlanta. Hier sind die schrägen Typen zu finden. Ein bisschen Underground. LGBT ebenfalls. Wer es bunt und aufregend mag, der sollte unbedingt mal hier bei Tage und bei Nacht reinschauen. Es ist heiß. Zeit für einen besonderen Drink. Wir fahren zur Monday Night Brewery. Ein weiteres Steckenpferd von mir: Craft Beer-Brauereien. Diese entstand aus einem Bibelkreis. Nette Jungs machen das Hobby zum Beruf. Und das schmeckt man. Victoria möchte mir noch ein besonderes Restaurant zeigen. Das JCT. Kitchen & Bar ist bekannt für seine exquisiten Gerichte, natürlich im Southern Style. Und auf die Hand gibt es anschließend ein Eis bei Jeny's, da stehen die Leute meterweise für an.
Savannah: Pittoreskes Paradies
Das Tempo der Großstadt bin ich zwar gewohnt, doch in amerikanischen Metropolen kommen noch die starken Eindrücke hinzu. Ich freue mich also auf einen Ort, von dem ich schon viel gehört habe. Ich nehme in den frühen Morgenstunden die Metro-Bahn von Atlanta, genannt MARTA. Sehr praktisch. Geht bis zum Flughafen. Dort mit dem Flieger nach Savannah. Dauert etwa eine Stunde. Das Taxi befördert mich in 30 Minuten dann in das historische Zentrum der Stadt. Denn Savannah hat zwei Gesichter. Es ist großer Hafen und schnuckeliges Refugium für ermattete Städter zugleich. Auch in den USA ist Savannah ziemlich einmalig. Eine Mischung aus Romantik und Geheimnis. Verwunschene Villen und wuchernde Vegetation. Der Ort also für spannende Geschichten. Das hat auch Hollywood inspiriert. Hier wurden Forrest Gump und viele andere Kassenschlager gedreht. Und ein großer Filmproduzent verkauft hier Eis. Aber dazu später mehr. Ich beziehe mein Zimmer im B. Historic Hotel, von hier ist es nicht weit zum Zentrum. Nach einer ersten Orientierung mit der Trolley Tour treffe ich Erica und Summer im Old Pink House. Der Ort atmet Geschichte. Hier haben schon die Honoratioren früherer Tage trefflich gespeist. Die Küste ist nicht weit, also steht Seafood ganz oben auf der Speisekarte. Und BLT-Salat. Das ist eine typische Vorspeise aus Bacon, Salat und Tomaten, dazu würziges Dressing. Danach erkunde ich die umliegende Gegend mit seinen beschaulichen kleinen Parks, den knuffigen Cafés und Vintage-Shops. Alles sehr relaxt und pittoresk. Am Nachmittag das Highlight des Tages: Ich treffe Stratton Leopold. Der Filmproduzent ist in Hollywood eine Legende, hat mit den großen Regisseuren unserer Tage gearbeitet. Seit über 40 Jahren im Filmbusiness, hat der sympathische Gentleman mit griechischen Wurzeln es sich nicht nehmen lassen, das Eis-Geschäft seines Vaters ebenfalls weiter zu betreiben. So pendelt Stratton zwischen Beverly Hills und Savannah, und widmet sich auch Leopold's Ice Cream mit viel Leidenschaft. Savannah ist tatsächlich in Sachen Kulinarik ein echter Geheimtipp. Neu und schon sehr beliebt ist das Atlantic Restaurant. Hier treffe ich Dusty, der aktiv in der LGBT-Szene von Savannah ist. Er sieht blendend aus, versprüht Witz und Charme. Dusty schwärmt von der einzigartigen Atmosphäre dieser Stadt, und das kann ich sehr gut nachvollziehen.
Am nächsten Tag mache ich eine Architekturführung durch das historische Zentrum von Savannah. Die Stadt hat eine bedeutende Rolle im Amerikanischen Bürgerkrieg gespielt und sich danach zu einem wichtigen Handelszentrum entwickelt. Der Hafen gehört zu den größten der Ostküste. Im historischen Zentrum kann man sich sofort wohlfühlen. Die Lebensqualität äußert sich in der freundlich-entspannten Stimmung seiner Bewohner. Nachmittags habe ich zwei Dinge mir vorgenommen. Das Prohibition Museum erzählt die Geschichte des Alkohol-Verbots in den USA in der Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Aber der Widerstand gegen betäubende Getränke reicht noch viel weiter zurück. Schon im 19. Jahrhundert waren es die Frauen satt, dass ihre Männer den Lohn schon am Zahltag versoffen. Da gab es irgendwann richtig Krach, und die Damen organisierten sich. Dann mache ich noch eine River Boat Tour und lerne den Hafen und das Umland so kennen. Abends treffe ich im Belford's einen sehr interessanten Mann: Reverend Steven Schulte hat schon viele tausend Paare getraut und ist stolz darauf, jetzt auch gleichgeschlechtliche Ehen schließen zu können. Wir haben eine schönen Abend in geselliger Runde. Mit Erica nehme ich noch einen Absacker im Club One, dem angesagten Szene-Treff.
Tybee Island: Gelebte Entspannung
Hannah holt mich in Savannah ab. Wir fahren eine gute halbe Stunde nach Tybee. Hier herrscht eine andere Auffassung von Zeit, so bereitet sie mich auf meine Aufenthalt vor. Es ist Tybee Time. Wenn Savannah schon relaxt war, dann ist Tybee super slow. Im besten Sinne. Es ist früh am Morgen. Die beste Zeit, um mit Dr. Joe den Strand zu erkunden. Der promovierte Meeresbiologe weiß viel zu berichten vom Leben der tierischen Strandbewohner. Dann besichtigen wir das Wahrzeichen von Tybee, den Leuchtturm. Im Crab Shack können wir uns danach auch von der geschmacklichen Qualität von Shrimps, Austern und anderem leckeren Seafood überzeugen. Und eine Delfin-Tour darf natürlich nicht fehlen: Mit Captain Mike fahren wir raus auf das Meer. In Gruppen und einzeln tummeln sich die lustigen Gesellen zu unserer Freude. Im DeSoto Beach Hotel finde ich eine feine Unterkunft. Nach einer Dusche und kurzer Ruhepause treffe ich Hannah und Summer im Restaurant The Deck. Dort wieder schmackhaftes Seafood und süffige Drinks. Allerdings muss ich früh ins Bett, denn Morgen geht es zurück nach Atlanta, um spannende Leute zu treffen.
Mit MARTA geht es vom Flughafen in Atlanta nach Downtown, wieder ein Indigo Hotel. Allerdings ganz anderer Stil. Travis holt mich ab, und wir fahren zur Henry's Midtown Tavern. Mit Jamie Fergerson unterhalte ich mich über ihre Aktivitäten als LGBT-Organisatorin. Noch tiefer in die Materie kann ich bei meinem anschließenden Treffen mit Ryan Roemerman, dem Direktor des LGBT Institute am Center for Civil and Human Rights, einsteigen. Es war nicht immer einfach, in den Südstaaten schwul oder lesbisch zu sein, so erfahre ich von Ryan. Auch heute gibt es noch so manche Hürden, die genommen werden müssen, um gleichberechtigt zu sein. Nachdenklich verlasse ich mit Travis diesen interessanten Ort, um die World of Coca-Cola zu besuchen. Als begeisterter Cola-Trinker für mich ein Must. Softdrinks aus diesem Hause gibt es in allen möglichen Varianten auf den ganzen Welt, davon kann ich mir hier ein Bild machen. Und probieren kann man das alles auch. Ein fabelhafter Abschluss meiner Reise. Georgia is on my mind! (rb)
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