Queere Musik-Emanzipation Dokumentarfilm zeigt Jimmy Somervilles Weg zur Pop-Ikone
Ein Dokumentarfilm wie ein Befreiungsschlag: Arte beleuchtet die Geschichte von Jimmy Somerville, der bis heute als einer der engagiertesten und einflussreichsten Popmusiker Großbritanniens gilt. „Jimmy Somerville, rebelle queer de la pop anglaise“ - hierzulande unter dem Titel „Jimmy Somerville, Smalltown Boy", jetzt auf Arte zu sehen, zeichnet das bemerkenswerte Porträt eines Künstlers, der aus dem Schatten gesellschaftlicher Ausgrenzung heraustrat und die Popwelt entscheidend veränderte.
Pionier und Pop-Ikone in schwierigen Zeiten
Das filmische Porträt von Regisseur Olivier Simonnet öffnet ein Fenster zu Somervilles Leben, geprägt von seinem Weg aus dem konservativen Arbeitermilieu Glasgows an die Spitze der Charts – mit Liedern, die mehr waren als bloße Hits. Bereits mit „Smalltown Boy“ (1984), einem Song, dessen Melancholie und Fingerzeig gegen Homophobie sofort ins Mark ging, gab Somerville jenen eine Stimme, die in der britischen Gesellschaft der Thatcher-Ära weitgehend zum Schweigen verurteilt waren. Zu dieser Zeit waren queere Sichtbarkeit und Offenheit noch große Ausnahmen unter Popstars; viele Größen wie Boy George und Elton John verheimlichten ihre Sexualität aus Angst vor Diskriminierung.
Mit musikalischem Mut und politischem Engagement brach Somerville, etwa mit Bronski Beat und später The Communards, Tabus und inspirierte eine Generation. „Name me an illness / Call me a sin“, singt er in „Why?“ und adressiert damit offen das Stigma von Homosexualität.
Zwischen Bühne und Bewegung
Abseits der Musik engagierte sich Somerville für Bürgerrechte, Solidarität mit Gewerkschaften und in der HIV-Prävention. Er war eng mit Mark Ashton befreundet, dessen Aktivismus für die Rechte von Arbeiterinnen, Arbeitern und queeren Menschen – wie auch im preisgekrönten Film „Pride“ gezeigt – eine ganze Bewegung prägte. Somervilles Gastfreundschaft ermöglichte sogar die Gründung von Trans*-Organisationen wie Act Up-Paris in seinem Londoner Zuhause.
„Jimmy war immer da für uns. Er nutzte seine Popularität, um die Schreie der Minderheiten hörbar zu machen, besonders in Zeiten der AIDS-Krise.“Didier Lestrade, Mitbegründer von Act Up-Paris (aus dem Dokumentarfilm)
Obwohl der Künstler heute zurückhaltend im Rampenlicht agiert, lässt der Film zahlreiche Weggefährtinnen und Weggefährten ausführlich zu Wort kommen und durch eindrucksvolle Archivaufnahmen spürbar werden: Somerville bleibt eine Ikone der Emanzipation – als Pop-Diva, als Aktivist, als Mensch.
Fast vier Jahrzehnte nach seinem Welthit „Smalltown Boy“ tanzen Musikfans zu Remixen und erleben, wie gegenwärtig Somervilles Botschaften geblieben sind, etwa in Filmen wie „120 BPM“ oder in der neuen queeren Musik-Szene Europas. Der Dokumentarfilm erinnert eindringlich, wie eng persönliche Erfahrungen und gesellschaftlicher Wandel verknüpft sind.
Was sagt uns Somervilles Vermächtnis heute – in einer Zeit, in der Pop wieder politischer wird und Fragen nach Identität lauter denn je gestellt werden? Arte gibt mit dieser Doku eine klangvolle Antwort und lädt ein, neue Horizonte der Sichtbarkeit zu erleben.
TV-Ausstrahlung am Freitag, 14. November um 22:05