Die Akzeptanz sinkt Die positive Einstellung gegenüber LGBTIQ+-Menschen nimmt ab
Bereits mehrere Studien der letzten Jahre zeigten auf, dass die Akzeptanz gegenüber der LGBTIQ+-Community zuletzt in mehreren Ländern weltweit zurückgegangen ist – der neue Vielfaltsbarometer der Robert Bosch Stiftung bestätigt nun diesen Negativ-Trend auch für Deutschland.
Krisenmodus in Deutschland
Die Entwicklung der letzten Jahre beschreibt das Autorenteam der Studie dabei so: „Unsere Welt befindet sich im Krisenmodus – Kriege und Konflikte, der Klimawandel, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, Fluchtbewegungen und wirtschaftliche Rezession. Ist jede dieser Herausforderungen für sich betrachtet schon groß genug, brechen sie seit einigen Jahren fast gleichzeitig über uns herein und verstärken sich gegenseitig. Parallel dazu verändert sich unsere Gesellschaft fundamental (…) Die anhaltende Zuwanderung aus aller Welt führt zu mehr sprachlicher, kultureller und religiöser Vielfalt. Zudem befindet sich die deutsche Gesellschaft in einem Prozess der Pluralisierung und Individualisierung, in dem einstige ´Randgruppen´ wie etwa queere Menschen stärker ins Zentrum des öffentlichen Diskurses rücken.“
Der Akzeptanz mit Blick auf die Community scheinen diese Debatten nicht gut zu tun. „Die öffentlichen Debatten, so viel ist unstrittig, sind in den letzten Jahren spürbar hitziger geworden. Auch wenn weiterhin viele Menschen die wachsende Vielfalt in Deutschland befürworten, stehen ihr immer mehr Menschen kritisch gegenüber“, so ein Studienergebnis, für das bundesweit 4.761 Personen ab 16 Jahren zu ihrer Meinung befragt wurden.
Vielfalt als Bedrohung
Immer mehr Menschen empfinden dabei die Vielfalt in Deutschland eher als Bedrohung denn als Bereicherung – die Werte sanken zwischen 2019 und 2025 rapide ab, inzwischen empfinden nur noch 45 Prozent der Deutschen Vielfalt als etwas Positives. In der Bewertungsskala vergibt das Barometer Punkte von 0 bis 100. Besonders bedenklich: Während die Akzeptanzwerte bei den Bereichen Behinderung, Lebensalter gleichbleibend hoch beziehungsweise in puncto Geschlecht sogar angestiegen sind, sinkt die Zustimmung massiv im Bereich der sexuellen Orientierung.
Während vor sechs Jahren die Akzeptanz von Homosexuellen noch 77 Punkte bekam, liegt sie jetzt bei nur noch 69. Im Detail: 25 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass Homosexuelle und eigene Kinder „einfach nicht zusammenpassen“ und 22 Prozent vertreten die Einschätzung, dass es ekelhaft ist, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen. 35 Prozent sind der Einschätzung, dass es „wider die Natur“ ist, das Geschlecht zu ändern und 21 Prozent wünschen sich, dass transsexuelle Menschen unter sich bleiben sollten.
Ablehnung des Islams
Ein ähnlich starker Rückgang bei der Akzeptanz ist ansonsten nur beim Thema Religion (von 44 auf 34 Punkte) und ethnische Herkunft (74 auf 56 Punkte) zu verzeichnen. Im Bereich Religion hält die Studie weiter fest: „Die Dimension Religion hat besonders stark an Zustimmung verloren. Mit 34 Punkten im deutschlandweiten Mittel muss hier klar von Ablehnung in der Bevölkerung gesprochen werden. Selbst wenn die Dimension allgemeine Einstellungen gegenüber allem Religiösen misst, ist davon auszugehen, dass hier primär ´der Islam´ mitgedacht wird. Die Analysen der Studie legen nahe, dass es in Deutschland eine zumindest verdeckte Ablehnung des Islam gibt: Die Menschen in der Befragung lehnen religiöse Muslim:innen in der Nachbarschaft und der eigenen Familie genauso vehement ab wie das Thema Religion allgemein. Bei gläubigen Christen:innen und praktizierenden Jüd:innen ist dies nicht der Fall.“
Gräben in der Gesellschaft
Mit Blick auf die einzelnen Bundesländer sind die Akzeptanzwerte in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Hamburg am größten, Schlusslicht hingegen sind Thüringen, Sachsen und Mecklenburg Vorpommern. Ein Ost-West-Gefälle zwischen den alten und neuen Bundesländern gibt es nicht mehr, weil sich die westdeutschen Bundesländer den Werten des Ostens angenähert haben.
Insgesamt zeigen die neuen Daten, dass sich die Gräben innerhalb der Gesellschaft immer weiter vertiefen, wobei sich drei gesellschaftliche Gruppen herauskristallisieren: Die eine Gruppe sind die Vielfaltsbefürworter, vertreten überwiegend durch Frauen, Menschen jungen und hohen Alters und Westdeutsche; 27 Prozent haben einen Migrationshintergrund. „Diese Gruppe ist überproportional politisch links orientiert, zudem zeichnet sie sich durch eine hohe Empathie-Fähigkeit aus.“
Die anderen zwei Gruppen stehen Vielfalt indes sehr kritisch gegenüber – sie machen die Hälfte aller Befragten aus. Rund 21 Prozent der Menschen lehnen dabei insbesondere ethnische und religiöse Vielfalt ab. „In dieser Gruppe befindet sich der geringste Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Überproportional viele Menschen leben in Ostdeutschland, die relative Mehrheit wählt die AfD. Kennzeichnend ist zudem ein hoher Wohlstandsprotektionismus.“ Weitere 30 Prozent der ablehnenden Bevölkerung bezeichnen die Studienautoren als „Vielfaltsskeptiker“, zu der in der Untersuchung festgehalten wird: „Die Menschen in dieser Gruppe sind oft männlich und jung, 43 Prozent sind migrantisch geprägt. Sie äußern sich besonders kritisch zu allen Vielfaltsdimensionen – mit Ausnahme von ethnischer Herkunft und Religion. Fast die Hälfte dieser Gruppe bezeichnet sich als religiös. Auch in dieser Gruppe wählen gut 30 Prozent die AfD.“
Spaltung der Gesellschaft beim Thema Homosexualität
Die Polarisierung zwischen den Vielfaltsbefürwortern und den beiden kritischen beziehungsweise ablehnenden gesellschaftlichen Gruppen nehme dabei immer weiter zu. „Besonders auffällig ist diese Spaltung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bei den Themen ethnische Vielfalt, Religion und insbesondere sexueller Orientierung.“ Ein Teil der Befragten zeigt dabei auch starke Tendenzen zu nicht demokratischen Aspekten, diese Einstellungen stünden dabei im Widerspruch zu, im Grundgesetz garantierten Rechten wie etwa dem Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit oder auch der Gleichberechtigung. „Vor diesem Hintergrund ist es elementar, als gesamte Gesellschaft für demokratische Werte einzutreten, für Toleranz zu werben und die Bemühungen gegen Diskriminierung zu verstärken – gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit gleichermaßen wie gegen Homo- oder Transfeindlichkeit.“