Direkt zum Inhalt
Entschädigung für Homosexuelle

Entschädigung für Homosexuelle In Österreich wurden schwule Männer wie in Deutschland nur aufgrund ihrer Sexualität verurteilt – jetzt folgen Entschädigungszahlungen!

ms - 24.10.2023 - 12:00 Uhr
Loading audio player...

Ähnlich wie in Deutschland sollen nun auch in Österreich schwule Männer Entschädigungszahlungen bekommen, die nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung strafrechtlich belangt oder verurteilt worden sind. Bis 1971 waren gleichgeschlechtliche Handlungen in Österreich verboten, weiterhin existierten allerdings auch danach noch vier Sonderparagraphen (§§ 209, 210, 220 und 221 StGB), die schwule Männer kriminalisierten. Der letzte dieser menschenrechtswidrigen Paragraphen wurde erst 2002 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Rehabilitierung von schwulen Männern

Ein entsprechendes Gesetz zur Entschädigung wurde jetzt im Nationalrat eingebracht. Im Falle einer Verurteilung aufgrund der Sonderstrafgesetze sollen 3.000 Euro Entschädigung bezahlt werden, im Falle einer Haftstrafe weitere 1.500 Euro pro Jahr. Für Strafverfahren ohne eine Verurteilung sollen schwule Männer 500 Euro bekommen, erlitten Homosexuelle im Zusammenhang mit den Sonderstrafgesetzen schwere wirtschaftliche, berufliche oder gesundheitliche Nachteile, soll eine Entschädigung von 1.500 Euro ausbezahlt werden. Anträge können bis 2033 gestellt werden. Schätzungen zufolge sind etwa 11.000 homosexuelle Menschen in Österreich anspruchsberechtigt.

„Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen war ein dunkles Kapitel der Zweiten Republik (…) Ich habe versprochen, alle zu Unrecht Verfolgten vollständig zu rehabilitieren und finanziell zu entschädigen. Jetzt haben wir die finanziellen Mittel bekommen“, so Österreichs Justizministerin Alma Zadić.

Freude in der LGBTI*-Community

Die österreichische LGBTI*-Community zeigte sich sehr erfreut über die jüngste Entscheidung. So erklärte Ann-Sophie Otte von der HOSI Wien: „Das ist ein wichtiges Signal für die Opfer, denen zusätzlich zur Strafverfolgung oft auch ihre soziale Existenz vernichtet wurde. Das alles lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber dass die Republik sie offiziell rehabilitiert und für das erlittene Unrecht entschädigt, ist als Anerkennung des Unrechts ein wirklicher Grund zur Freude und ein großer Erfolg für die HOSI Wien und die LGBTIQ-Community, die das seit vielen Jahren von der Politik gefordert haben.“

Auch seitens der Opposition wird die Entschädigung begrüßt, SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner erklärte: „Das ist ein enormer Erfolg der Zivilgesellschaft und all jener, die nicht aufgegeben haben. Mit dem vorliegenden Gesetz wird nun die jahrzehntelange Forderung der LGBTIQ-Community nach einer Aufhebung der Urteile und echten Entschädigungszahlungen endlich umgesetzt! Dieser Erfolg gebührt all jenen, die nicht aufgegeben haben und genau für diese Gerechtigkeit eingetreten sind. Solche Initiativen zeigen, wo unsere Republik noch weit hinterherhinkt und was mit einer progressiven Mehrheit alles möglich wäre.“

Detailfragen noch offen

Allerdings betont die HOSI Wien auch, dass noch wichtige Detailfragen offen sind, so Otte weiter: „Hier sind Menschen zu Unrecht im Gefängnis gesessen, die konnten in dieser Zeit ja nicht arbeiten. Es muss also unbedingt eine beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten auf die Pension erfolgen. Ebenso müssen die verhängten Geldstrafen entsprechend verzinst zurückgezahlt werden. Wir erwarten, dass die Bundesregierung das in ihrem finalen Gesetzesantrag berücksichtigen wird.“

Fristverlängerung in Deutschland

In Deutschland wurden bereits 2017 Entschädigungszahlungen in gleicher Höhe beschlossen. Nachdem sich allerdings bis 2022 nur wenige hundert schwule Männer gemeldet hatten, beschloss die Bundesregierung letztes Jahr, die Frist zur Antragsstellung um weitere fünf Jahre zu verlängern. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte dazu erklärt: "Wir wollen es Betroffenen auch weiterhin ermöglichen, ihre berechtigten Ansprüche auf eine Entschädigungszahlung geltend zu machen. Mir ist es wichtig, dass wir den Betroffenen diesen Weg weiterhin offenhalten. Das ist Ihnen der Rechtsstaat schuldig."

Hintergrund in Deutschland ist der berüchtigte Paragraf 175, der Sex zwischen Männern unter Strafe stellte und erst 1994 ganz gestrichen worden war. Bis zu dieser Zeit waren allein nach Kriegsende rund 53.000 schwule Männer nach §175 verurteilt worden.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Neue Richtlinien beim Dating

Großbritannien verschärft Regeln

Wer ab heute in Großbritannien eine schwule Dating-App öffnen will, braucht eine Altersverifikation - auch als Tourist. Ein Vorbild für Deutschland?
Ende der Antidiskriminierung

Queere Petition als letzte Rettung?

Die EU hat das geplante Antidiskriminierungsgesetz ad acta gelegt, Kritiker befürchten massive Einschnitte, queere Vereine fordern nun ein Umdenken.
Ermittlung gegen Bürgermeister

Vorgehen nach Budapest Pride

Ungarn macht ernst: Budapests Bürgermeister Gergely Karacsony muss kommende Woche zum Polizeiverhör erscheinen, weil er den CSD möglich machte.
Regenbogen über dem Bundesrat

Pride-Flagge wird zum CSD gehisst

Der Streit geht weiter: Der Bundesrat wird zum Berliner CSD die Regenbogenfahne hissen - anders als am Bundestag.
Freiheit für Hernández Romero

125 Tage im Foltergefängnis

Der schwule Maskenbildner Andry Hernández Romero ist frei! Die USA hatte ihn zuvor ohne Prozess in ein Foltergefängnis nach El Salvador abgeschoben.
Peter Schmidt ist tot

Hamburger Designer von Weltruf

Das lila Design von Milka oder ikonische Parfümflakons: In seiner Wahlheimat Hamburg verstarb der schwule Star-Designer Peter Schmidt mit 87 Jahren.
Besserer Schutz im Club

Awareness-Konzept in Wien

40 % der Wiener fühlen sich unsicher beim Clubbing, gerade auch queere Menschen. Ab 2026 wird ein Awareness-Konzept bei Events deswegen zur Pflicht.
Urteil mit großer Bedeutung

Präzedenzfall für US-Queers?

Ein Gericht in Kanada setzte vorerst die Ausweisung eines queeren US-Bürgers aus. Begründung: In den USA könnte es nicht mehr sicher für LGBTIQ* sein.
Hass-Kampagne in der Türkei

Perfide Umfrage in der Bevölkerung

Die Türkei geht mit immer extremeren Mitteln gegen die Community vor, jetzt soll eine perfide Befragung der Bevölkerung den Hass auf LGBTIQ+ befeuern.