Serie über Popikone geplant Queere Biografie: Netflix in Verhandlungen um Cher-Doku
Die Pop-Welt hält den Atem an: Medienberichte verdichten sich, dass Cher – legendäre Popsängerin, Schauspielerin und Ikone – im Begriff steht, ihrer schillernden Laufbahn eine neue Facette zu geben. Der Streaming-Riese Netflix soll in finalen Gesprächen mit der 79-Jährigen stehen, um eine aufwändig produzierte siebenteilige Dokuserie zu realisieren. Sie soll den Arbeitstitel „Sharing Her Story“ tragen und Chers Leben in all seinen Facetten abbilden – von ihren Anfängen, großen Erfolgen und persönlichen Abstürzen bis hin zum heutigen Selbstverständnis als queerer Superstar.
Cher zwischen Glanz, Rebellion und Selbstinszenierung
Nur wenige Persönlichkeiten haben über Jahrzehnte hinweg die Popkultur derart geprägt wie Cher. Bereits als junge Künstlerin mit Sonny Bono sorgte sie in den 1970er Jahren für Furore: Songs wie „I Got You Babe“ oder die charakteristische TV-Show machten das Duo zu internationalen Lieblingen. Chers Weg führte von musikalischen Experimenten über eine gefeierte Filmkarriere (Oscar für „Mondsüchtig“) bis hin zu konstanten Erfolgen als Solokünstlerin. Mit Hits wie „Believe“, das als einer der meistverkauften Singles aller Zeiten gilt, wurde sie endgültig zur Popgöttin.
Doch ihr Weg war oft gepflastert mit Brüchen, Mut und öffentlichen Tabubrüchen. Nirgends zeigte sich dies deutlicher als in ihrem Liebesleben: Zwei prominente Ehen – mit Sonny Bono wie auch mit Gregg Allman – sowie eine Reihe unkonventioneller Beziehungen, zuletzt mit dem 40 Jahre jüngeren Alexander Edwards, machten immer wieder Schlagzeilen. Chers Offenheit in ihrer Biografie und ihre deutliche Positionierung als Fürsprecherin queerer und marginalisierter Communities machen sie zur Projektionsfläche ganzer Generationen.
Der Boom biografischer Dokus – und was Vertreterinnen und Vertreter queerer Medien fordern
Mit dem Hype um Streaming-Dokus wächst weltweit auch das feministische und queere Interesse an eigenständigen Narrativen. Produktionen wie „Miss Americana“ über Taylor Swift oder „Homecoming“ von Beyoncé belegen: Das Publikum erwartet nicht mehr nur Retrospektiven, sondern ungeschönte, emanzipierte Blicke hinter die Kulissen des Popbetriebs. Der britische Guardian kommentierte treffend, dass solche Formate „als Plattform für Empowerment und Diversität“ dienen. Immer mehr prominente Frauen, darunter auch trans* Künstlerinnen und trans* Künstler nutzen Dokus, um stereotype Darstellungen zu unterlaufen und sich die Deutungshoheit über ihre Geschichte zurückzuerobern.
Chers jüngste Ehrung in Deutschland – sie erhielt im November einen Bambi für ihr Lebenswerk – unterstreicht die anhaltende Wirkungskraft der Künstlerin. Magnetische Auftritte, etwa demnächst bei „Saturday Night Live“ in den USA, demonstrieren ihren Anspruch, sich auch mit 79 Jahren nicht aufs Altenteil drängen zu lassen.
Wer erzählt wessen Geschichte?
Dass große Plattformen nun um Persönlichkeiten wie Cher wetteifern, verweist auf einen grundlegenden Wandel in der Medienlandschaft. Biografische Dokus sind zum Machtinstrument geworden – für Sichtbarkeit und Deutungshoheit. Für Netflix erschließt sich damit nicht nur ein Millionenpublikum, sondern auch ein sichtbares Bekenntnis zu Diversität, Identifikation und Female Empowerment. Kritikerinnen und Kritiker warnen jedoch: Die Versuchung, Persönlichkeitsrechte und kontroverse Themen allein aus Quoteninteressen auszuschlachten, bleibt ständige Herausforderung.
Das Beispiel Cher könnte zum Lackmustest für respektvolle, multiperspektivische Erzählungen avancieren. Es bleibt abzuwarten, ob die geplante Serie wirklich die Vielschichtigkeit, Stolpersteine und Befreiungsakte ihres Lebens zum Thema macht – oder bloß das nächste mediale Kassenstück wird. Wer schreibt moderne Popgeschichte? Wie viel Kontrolle bleibt Künstlerinnen und Künstlern? Und: Welche Geschichten stehen wohl als nächste an?