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Kann denn Liebe Sünde sein?
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Kann denn Liebe Sünde sein? Der König des Schlagers Bruno Balz war schwul - und kämpfte zeitlebens für sein Recht auf Leben

ms - 28.03.2025 - 14:00 Uhr

Kann denn Liebe Sünde sein? Ich brech` die Herzen der stolzesten Frau´n. Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh´n. Wer kennt sie nicht, die Evergreens des deutschen Schlagers. Gesungen wurden jene Lieder von Persönlichkeiten wie Zarah Leander, Heinz Rühmann oder Peter Alexander. Sie alle entstammen aus der Feder eines einzigen deutschen Texters: Bruno Balz. Geboren im Oktober 1902 in Berlin, gestorben vor 37 Jahren im März 1988 in Bad Wiessee. Eine Besonderheit ist bis heute vielerorts unbekannt: Der Mann, der die bewegendsten Texte über die Liebe geschrieben hat, war schwul. 

Der König des deutschen Schlagers

Balz entwickelte schon in jungen Jahren einen Hang zu Texten und Gedichten, den Eltern zuliebe absolvierte er eine Lehre zum Küfer und arbeite Anfang der 1920er Jahre in einer Weingroßhandlung. 1923 wurden erste Liedtexte von ihm veröffentlicht, sechs Jahre später steuerte er die Musiktexte für den allerersten deutschen Tonfilm bei. Schnell machte Balz Karriere und schrieb bis in die 1960er hinein weit über 1.000 Schlagertexte. Zarah Leander wurde dank seiner Lieder zum Weltstar. Bis heute bedienen sich die Medien und Kulturschaffende gerne seiner Texte. 

In den 1960er Jahren zog sich Balz schlussendlich ins Privatleben zurück – ein Leben, das so öffentlich erkämpft wurde, wie es konnte, und so privat und geheim blieb, wie es angesichts der Zeit bleiben musste. Bereits mit 17 Jahren wusste Balz, dass er homosexuell ist – fortan engagierte er sich in der ersten Homosexuellenbewegung in Deutschland. In schwulen Zeitschriften veröffentlichte er Gedichte und Erzählungen und ließ sich sogar als Aktmodell in der weltweit ersten, regelmäßig erscheinenden schwulen Zeitschrift „Der Eigene“ (1896-1932) ablichten. Er wurde Mitglied im Bund für Menschenrecht, gegründet 1923 vom Homosexuellen-Aktivisten Friedrich Radszuweit. 1924 veröffentlichte dieser den allerersten schwulen Schlagersong mit dem Titel „Bubi, lass und Freunde sein“, geschrieben von Balz. 

Gefangenschaft und Befreiung

Es war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Balz so in das Netz der Nazis hineinschlitterte – zweimal wurde er nach dem schwulen Verbotsparagrafen 175 verurteilt. Das erste Mal bereits 1936, nachdem drei Jahre zuvor seine enge Beziehung zum Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld herausgekommen war. Balz wurde bei einer Schwulen-Razzia im Berliner Tiergarten verhaftet und für mehrere Monate ins Gefängnis eingesperrt, schlussendlich aber unter strengen Auflagen wieder freigelassen: Sein Name sowie Fotos von ihm durften nicht mehr publiziert werden und er musste die linientreue Selma Pett heiraten. 

Fünf Jahre später, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde Balz erneut verhaftet – er war von der Gestapo in einer „kompromittierenden Situation mit einem jungen Mann“ erwischt worden. Anlässlich des Drehbeginns des Films „Die große Liebe“ hatte er einen Empfang für das Filmteam in seiner Etagenwohnung gegeben. Am Höhepunkt der Party lockte ein attraktiver blonder Jüngling Balz in dessen Schlafzimmer – eine Falle, wie er zu spät erkannte. Aus dem Schrank im Schlafzimmer sprangen mehrere Gestapo-Mitarbeiter und hielten das Geschehen fotografisch fest. 

Tagelang wurde Balz gefoltert, bevor die Nazis beschlossen, ihn ins Konzentrationslager abzuschieben. Gerettet wurde er von seinem jahrzehntelangen kongenialen Kreativ-Partner und Komponisten Michael Jary. Dieser erklärte der Staatspolizei, der geplante Film, das Prestige-Projekt von Propagandaminister Joseph Goebbels, könne ohne Balz nicht fertiggestellt werden – Stunden später wurde er freigelassen. Während seiner Haft hatte Balz zwei seiner größten Schlagertexte als vermeintlichen Nachlass geschrieben: „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wir einmal ein Wunder gescheh´n.“ Beide Hits kamen in den Film und eroberten die Herzen von 27 Millionen Kinozuschauern. 

Scheinehe und ein neues Leben

Was ihn vor den Nazis und dem sicheren Tod als schwuler Mann in einem Konzentrationslager bewahrte – seine Liedtexte – wurde ihm nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst zum Verhängnis: Balz wurde von den Alliierten aufgrund seiner „Durchhalteschlager für Propagandafilme“ angeklagt, er sei „Hitlers Hitschreiber“ gewesen. Dieses Mal rettete ihn seine Homosexualität, die er widerstrebend inklusive seiner Scheinehe eingestehen musste. Zudem hatte Balz sich stets geweigert, der NSDAP oder einer anderen Organisation der Nazis beizutreten – trotz aller Repressalien. Schlussendlich wurde Balz daraufhin im Oktober 1946 freigesprochen. 

Später kam heraus, dass seine Ehefrau als Informantin der Nazis gearbeitet hatte und ihn 1941 auch in die Falle gelockt hatte. 1966 zeigte sie ihn erneut aufgrund des Paragrafen 175 an, das Verfahren wurde aber eingestellt. Da sie die Scheidung ablehnte, lebte das Paar in strikt getrennten Wohnungen bis zum Lebensende in einem Haus zusammen. Im Alter von 58 Jahren fand Balz sein privates Glück und verliebte sich 1960 in den Maler Jürgen Draeger, mit dem er bis zu seinem Tod zusammenblieb. Für ihn schrieb er auch den Hit: „Wir wollen niemals auseinandergehn“. Die finale Aufhebung des  §175 im Jahr 1994 erlebte Balz leider nicht mehr. Die Dokumentation „Im Schatten der Träume“ über Balz und Jary ist derzeit im Kino zu erleben.

Mehr unter: www.bruno-balz.com

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