Fetischlust in Hamburg Ein neuer Chef bei MR.CHAPS!
Das Fachgeschäft MR.CHAPS in Hamburg ist eine der wichtigsten Adressen für Fetisch-Freunde in der Hansestadt und könnte in seiner bald 40-jährigen Geschichte wohl viele spannende Erlebnisse erzählen. SCHWULISSIMO wollte einige davon hören und fragte nach bei Inhaber Ingo Szogs, der zum ersten Juli das Geschäft an seinen Freund Jean-Claude Borer übergeben wird – er selbst bleibt dem Laden allerdings erhalten. Die große Nachfolger-Party steigt dann Ende dieses Monats (30. Juni, SLUT-Club).
Ingo, wenn du dich an all die Jahre bei MR.CHAPS erinnerst, welche Erlebnisse sind dir bis heute in besonderer Erinnerung geblieben?
Da gibt es natürlich viele Momente. Maßanfertigungen zum Beispiel einer Lederjeans in Über-Übergröße, einer roten Ledershorts mit weiß abgesetzten Taschen in Herzform oder eines speziellen Latex-Anzugs für ein Stück im Deutschen Schauspielhaus. Ein Kunde aus dem Ausland, der zum ersten Mal eine Rubbershorts anprobiert hat und die Erregung so groß war, dass sein Abgang komplett im Vorhang der Umkleide landete. Oder immer wieder die Frage, ob wir beim Anlegen des Cockrings helfen können. Können wir natürlich. Mancher bekommt eine Beschreibung, wie man es macht und bei anderen geben wir gerne auch Hilfestellung.
MR.CHAPS gibt es inzwischen bald 40 Jahre (Eröffnung 1985). Nicht nur der Laden selbst, auch die Gesellschaft hat sich über all die Jahre verändert. Wie haben die Hamburger aber auch die Community anfangs auf euren Laden geblickt?
Natürlich hat man anfangs teils verächtlich und abwertend auf uns herabgeblickt. Das hängt mit dem schwarzen Leder zusammen. Viele ältere Mitbürger haben uns damals mit den gewaltbereiten Rockerbanden in eine Schublade gesteckt und somit misstrauisch beäugt. Was die schwule Community betrifft, war bei vielen immer der Reiz da, zu wissen, was insbesondere in den Lederlokalen abging. Nur dort gab es Darkrooms und jeder wollte zu gern wissen, was da passiert. Aber es gab immer einen recht strikten Dresscode, sodass nichts nach außen gedrungen ist.
Jean-Claude, du trittst sozusagen in die großen Fußstapfen von Ingo. Was sind deine Ideen für das CHAPS in den kommenden Jahren?
Mir ist bewusst, dass die Fußstapfen sehr groß sind. Ich kenne Ingo auch schon über zehn Jahre. MR.CHAPS bedeutet mir sehr viel. Das erste Mal bin ich im Jahre 1988 im Laden gewesen und habe seit dieser Zeit eine große Faszination und Verbundenheit zu dem Geschäft entwickelt. Selbstverständlich möchte ich MR.CHAPS in der jetzigen Form weiterführen, eine gewisse Tradition bewahren, jedoch auch den Schritt in einen neuen Zeitabschnitt machen. Die Maß-Anfertigung und die jetzige Leder-Kollektion bleiben erhalten. Wo ich Neues anstrebe, ist im Bereich Young Fashion, den Bereich Sport-Fetisch werde ich groß aufziehen. Als nächster anstehender Schritt ist ein Onlineshop geplant, damit unsere Kunden endlich unsere Qualitätsprodukte auch zu Hause auswählen und kaufen können. Es wird auf jeden Fall spannend werden.
Gerade junge Menschen bestellen Fetisch-Kleidung gerne auch preisgünstig online und wundern sich dann, wenn die Ware nicht richtig passt oder schnell kaputt geht. Was sagt du dazu, Ingo?
Qualität hat eben seinen Preis. Unser Leder ist zertifiziert und teils sogar mit dem „blauen Engel“ ausgezeichnet. Unsere Hosen und Hemden sind auch generell ungefüttert, weil wir recht sicher sind, dass es keine Hautirritationen vom Leder geben wird. Natürlich geht es dann weiter mit den anderen Materialien, vom Nähgarn, über die Druckknöpfe bis zu den Reißverschlüssen. Ein ganz wichtiger Punkt: Reparatur und Änderung unserer Sachen ist meist immer möglich. Bei uns bekommt man den Service mit dazu.
Wie sieht es denn mit der Fetisch-Szene in Hamburg generell aus? Haben sich die Geschmäcker in den Jahren geändert?
Oh ja, über die Jahrzehnte gab es einen großen Wandel. Bestand die Fetisch-Szene damals aus den Materialien Leder, Latex und Uniformen, ist heute Army-Outfit relativ out, aber neu dazugekommen sind PVC, Nylon, Sportswear, Sneaker, Skingear, Skater, Motocross, Underwear und Puppys mit allen erdenklichen Abwandlungen, Kombinationen und Farben. Heute ist eigentlich alles möglich und wird auch ausgelebt.
Ingo, warum ziehst du dich als Besitzer zurück, wo du noch so vor Leidenschaft für die Sache strotzt?
Meinen „Rückzug“ habe ich schon vor langer Zeit angedacht. Aber es kommt ja immer anders. Ich bin froh, in meinem langjährigen Freund Jean-Claude aus Basel jetzt meinen Nachfolger gefunden zu haben und zum Juli tauschen wir quasi die Rollen. Ich werde ihn die nächsten Jahre unterstützen und den Kunden zur Verfügung stehen, aber nur noch vier Tage in der Woche, damit ich mehr Zeit für mich habe. Nach 35 Jahren – mehr als der Hälfte meines bisherigen Lebens – gebe ich gerne die Führung ab. Bei allen Freunden, Kunden und Lieferanten bedanke ich mich für eine großartige Zeit mit vielen tollen Erinnerungen und hoffe, dass sie auch weiterhin MR.CHAPS treu bleiben werden.