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Dr. Olaf Degen
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Dr. Olaf Degen "Sexualität findet schließlich trotzdem statt"

km - 03.12.2021 - 10:00 Uhr

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gründete kürzlich die erste universitäre Anlaufstelle für sexuelle Gesundheit in Norddeutschland. Um die weltweit wachsende Verbreitung von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) einzudämmen, richtete der Fachbereich Infektiologie des Ambulanzzentrums des UKE einen Checkpoint für sexuelle Gesundheit ein. Seit Mitte Oktober können sich Menschen aller Geschlechter und sexueller Orientierung (LGBTI*) dort auf STI testen, impfen, untersuchen, beraten und behandeln lassen. Der Checkpoint eröffnete mit vorerst zwei wöchentlichen Sprechstunden.

Seit 2019 bietet die Infektiologie bereits eine Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zur Reduktion von HIV-Übertragungen als Kassenleistung in einer Spezialsprechstunde an. Künftig wird dieses Angebot in den Checkpoint integriert. SCHWULISSIMO hat mit Dr. Olaf Degen, dem ärztlichen Leiter der Infektiologie des UKE-Ambulanzzentrums, gesprochen.

 

Warum braucht es einen weiteren Checkpoint – es gibt doch „Hein&Fiete“?
Wir arbeiten seit Jahren sehr eng mit „Hein&Fiete“ zusammen. Entstanden ist dieses Angebot aus der PrEP-Beratung, die wir einmal die Woche durchgeführt haben. Dadurch haben wir den wachsenden Zuwachs wahrgenommen. Selbst in einer Großstadt wie Hamburg ist das Angebot trotz hoher Dichte an ärztlicher Versorgung begrenzt. Deutlich schlechter stehen die Einzugsbereiche von Hamburg da – Städte wie Lüneburg, Uelzen oder Buchholz in der Nordheide. Dort ist es sehr schwer, eine PrEP bzw. eine STI-Beratung und Behandlung zu bekommen. Mit dem Checkpoint decken wir also die steigende Nachfrage nach Behandlungsangeboten von sexuell übertragbaren Erkrankungen in und um Hamburg ab.

Dieser Checkpoint ist eine Kooperation mit „Hein&Fiete“. Peer-to-Peer-Berater*innen sind zwei Mal die Woche bei uns (Montag- und Donnerstagnachmittag) und bieten optional ein unverbindliches und kostenloses Beratungsgespräch an. Ich sehe die Angebote von „Hein&Fiete“ und unserem Checkpoint als ergänzend. Es soll und kann auch nicht die hervorragende Arbeit von „Hein&Fiete“ ersetzen. Am Pulverteich findet eine anonyme, niedrigschwellige Testung und Beratung statt, bei uns können wir zusätzlich eine Behandlung, Impfung oder Übergabe des Patienten in einen anderen Fachbereich innerhalb unseres Hauses durchführen. Allerdings arbeiten wir nicht anonym, da wir die Leistungen über die Krankenkasse abrechnen.

Kann man das Angebot dann wirklich nur an zwei Tagen in der Woche wahrnehmen?
Der Checkpoint ist Bestandteil unseres ambulanten Angebotes – die Checkpoint-Sprechstunden sind speziell montags von 14 Uhr bis 19 Uhr und donnerstags von 14 Uhr bis 18 Uhr. Natürlich sind wir an den anderen Werktagen ebenfalls ärztlich besetzt. Wenn ein Patient also am Dienstag oder Freitag Anzeichen einer STI aufweist, kann er sich auch an diesen Tagen bei uns vorstellen. Montag und Donnerstag sind aber die Schwerpunkttage des Checkpoints.

„Hein&Fiete“ spezialisieren sich in der Beratung auf Männer, die Sex mit Männern haben. Im UKE sieht das etwas anders aus.
Wir haben festgestellt, dass das Angebot im Einzugsbereich für Heterosexuelle und trans*-Patienten sehr schlecht ist. In diesem Bereich gibt es kaum spezialisierte Angebote – ich persönlich kenne keins. Wir wollen auch diese Menschen abholen und einen Standort für Testung, Beratung und Behandlung bieten.

Wie seid ihr vor Ort aufgestellt?
Wir haben an den beiden Checkpoint-Tagen immer einen Präventionsberater von „Hein&Fiete“ vor Ort. Unser ärztliches Team besteht aus sechs Ärzten – einer davon betreut den Checkpoint in dieser Zeit. Begleitet wird dieser außerdem von einem Team aus drei medizinischen Fachangestellten.

Und wie sieht das Angebot konkret aus?
Auf Wunsch gibt es eine Präventionsberatung vom „Hein&Fiete“-Mitarbeiter, danach geht es zum Arzt in die Sprechstunde. Dort wird alles Weitere besprochen – also was getestet oder behandelt werden muss. Anschließend werden STI mithilfe von Abstrichen, Blut-, Urin- oder Stuhlproben diagnostiziert. Die Laborergebnisse dazu liegen zeitnah, oft schon am Folgetag, vor. Alle Befunde werden dann in Folgeterminen, Videosprechstunden oder telefonisch mit den Betroffenen besprochen.

Videosprechstunde © UKE
Videosprechstunde © UKE

Wie sieht es mit den Kosten aus, die durch die Beratung bzw. Behandlung entstehen?
Wenn möglich rechnen wir über die Krankenkassen ab. Man muss natürlich die Indikation dabei überprüfen. Es gibt außerdem auch für nicht-versicherte Personen ein kostengünstiges Angebot. 

Gibt es da auch Unterschiede zwischen den privaten und gesetzlichen Krankenkassen, wie etwa 2019 bei der PrEP?
Bei den gesetzlichen Krankenkassen gibt es keine Probleme. Bei den privaten Krankenkassen hingegen hängt das sehr von den einzelnen Konditionen der Kassen ab. Ein Großteil der privaten Krankenkassen hat inzwischen bereits eine Kostenübernahme der PrEP zugesagt – eine Kostenübernahme erfolgt dann vermutlich auch bei der Beratung, Testung und Behandlung von STI bei entsprechender Indikation.

Gibt es Zahlen zu STI, auch in Bezug auf die Pandemie?
Die Syphilis ist beispielsweise eine meldepflichtige Erkrankung in Deutschland – daher kann man einen Verlauf hier gut verfolgen. In den letzten Jahren haben die Syphilis-Fälle stetig zugenommen und es gab im Vergleich zum Vorjahr nur eine ganz leichte Abnahme im ersten Halbjahr von 2020. Aber auch in dieser Zeit waren die Zahlen deutlich höher als in den Jahren davor. Die STI haben während Corona nicht abgenommen, sondern nehmen weiterhin stetig zu.

Sexualität findet schließlich trotzdem statt – auch in Zeiten von Lockdowns. Sex wird es immer geben und er findet selbst in einer weltweiten Pandemie seinen Weg. Umso wichtiger sind deshalb die Präventionsarbeit und Behandlungen in Checkpoints.

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