Internationalste Stadt Deutschlands Berlin & Englisch: Kommt man ohne Deutsch wirklich durch?
Internationalste Stadt Deutschlands - Kommt man in Berlin noch ohne Englisch zurecht?
Berlin hat quasi zwei Amtssprachen. In den Startups und Cafés von Neukölln bis Mitte ist Englisch längst zum Standard geworden. Nur ein paar Straßen weiter am Späti regiert die Berliner Schnauze und diese beiden Welten existieren, typisch Hauptstadt, direkt nebeneinander. Viele Zugezogene sind überzeugt, nur mit Englisch durch den Alltag zu kommen, aber stimmt das wirklich oder ist das nur ein Mythos aus der internationalen Bubble?
Arbeiten, feiern, bestellen. Alles auf Englisch.
Wer in Berlin in bestimmten Branchen arbeitet, braucht kein Deutsch. Das ist keine Übertreibung, sondern mittlerweile eine Tatsache. In den Slack-Channels der Berliner Startups und den Zoom-Meetings der Agenturen ist Deutsch eher eine Fremdsprache. Hier arbeiten Leute oft aus vielen verschiedenen Ländern und die gemeinsame Sprache ist die, die alle mitbringen, nämlich Englisch.
So eine pragmatische Entscheidung setzt sich nach Feierabend fort. Das ist allerdings kein bewusster Boykott der deutschen Sprache, sondern schlicht der Weg des geringsten Widerstands. Man geht in das Café, in dem die Karte sowieso nur auf Englisch gedruckt ist. Man trifft sich in der Bar, in der die Person hinter dem Tresen aus Lissabon kommt und eine deutsche Bestellung ohnehin nicht verstehen würde.
Besonders in der internationalen queeren Community ist Englisch das verbindende Element. Partyeinladungen, Diskussionen in Community-Spaces, selbst die meisten Dating-Profile sind auf Englisch verfasst. Wer hier nur Deutsch spricht, schränkt sich massiv ein oder ist im schlimmsten Fall komplett außen vor. So entsteht eine fast autarke Infrastruktur. Ein Berlin, das ohne Deutsch ziemlich floriert, aber auch seine Grenzen kennt.
Willkommen beim Amt! Der Realitätscheck
Irgendwann platzt jede Blase. Meistens passiert das im Wartezimmer vom Bürgeramt, denn hier gelten andere Regeln. Das Formular zur Anmeldung kennt kein Englisch, die automatische Ansage für die Wartenummern auch nicht. Die Person hinterm Schalter ist für den Verwaltungsakt zuständig, nicht für Smalltalk auf Englisch. Freundlichkeit ist hier kein Garant für Entgegenkommen, sondern eher ein Crashkurs in deutscher Mentalität.
Solche Realitätschecks sind kein Einzelfall, sondern eher als Standard, sobald es um Verbindliches geht. Der Mietvertrag ist und bleibt ein deutsches Rechtsdokument. Die Kommunikation mit der Hausverwaltung läuft genauso kompromisslos ab wie später der Briefwechsel mit dem Finanzamt. Englische Hotlines oder übersetzte Formulare? Gibt es oft nicht.
Doch die Art Widerstand zeigt sich nicht nur in der Bürokratie, sondern auch im Kleinen. Im demonstrativ lauten Seufzer in der Bäckerschlange, wenn die Bestellung auf Englisch kommt. Oder in der knappen, ausschließlich deutschen Antwort des älteren Nachbarn im Hausflur. Für viele Urberliner ist die selbstverständliche Nutzung von Englisch keine Bereicherung, sondern eine Zumutung. Das Ergebnis? Die unmissverständliche Botschaft, dass die Erwartungshaltung, überall auf Englisch bedient zu werden, an Grenzen stößt.
In diesen Situationen ist das perfekte Englisch aus dem Workspace oft wertlos. Hier wird deutlich, dass die englischsprachige Welt nur eine geduldete Ebene über dem eigentlichen Fundament der Stadt ist. Im Digitalen gelten allerdings ganz andere Gesetze.
Googeln auf Englisch, leben auf Deutsch?
Die Trennung zwischen den Welten ist nirgends so klar wie nach Feierabend. Du läufst durch deinen Kiez, vorbei an Spätis, Dönerläden und den seltsam aus der Zeit gefallenen Spielhallen. Letztere sind für die meisten Anwohner nicht mehr als eine blinkende Fassade und ein großes Fragezeichen.
Der eigene Alltag, die Suche nach Anschluss und die gesamte Freizeitplanung finden woanders statt, im Digitalen. Statt den Späti-Besitzer nach dem Weg zu fragen, nutzt man Google Maps. Statt im Aushang nach Veranstaltungen in der Nähe zu suchen, scrollt man durch Instagram wie in einem in sich geschlossenem System, das fast ausschließlich auf Englisch funktioniert.
Es geht hier nicht nur darum, Serien im Originalton zu streamen. Es geht vielmehr um die gezielte Suche nach Nischen, in der man auf Bandcamp nach dem Release eines bestimmten Kreuzberger Keller-Labels jagt. Man sucht auf Discord nach einer queeren Gilde für ein Online-Rollenspiel oder scrollt sich durch TikTok, um herauszufinden, welche Bar den besten Pisco Sour macht.
So ein Suchmuster überträgt sich auf alle Bereiche. Eine Suchanfrage wie online casino germany ist in diesem Kontext nur ein weiteres Beispiel für die Suche nach einem spezifischen Angebot und gar nicht mehr so seltsam. Die Recherche nach dem best online casino in germany oder einem Online Casino funktioniert nach demselben Prinzip wie die Suche nach dem best vegan Burger in Berlin. Hier steht also nicht nur das nächstgelegene, sondern vor allem das bestbewertete Angebot an erster Stelle – und die meisten Ergebnisse gibt’s nun mal auf Englisch.
Sorry, only Denglisch!
Kommt man in Berlin also nur mit Englisch durch? Die ehrliche Antwort ist ja. Man kann hier arbeiten, feiern und ein gutes Leben führen, ohne je einen deutschen Satz zu lernen. Man bleibt dann aber Gast in seiner eigenen Stadt. Man erlebt eine begrenzte Version von Berlin, aber eben nicht das ungeschminkte Original.
Das echte Berlin findet aber in den Lücken statt, wie im kurzen Gespräch mit dem Späti-Besitzer, im verstandenen Witz des Busfahrers, im genervten Kommentar der Nachbarin im Treppenhaus. Wer die Stadt wirklich spüren will, muss sich dem Urberlinischem wenigstens etwas öffnen.
Ein auf Deutsch gestammeltes „Zwei Bier, bitte“ reicht oft schon aus, um eine freundliche Antwort auf Englisch zu bekommen. Genau diese unperfekte, pragmatische und oft unfreiwillig komische Mischung ist die wahre Sprache Berlins.