Dr. Michael Brinkschröder Was ist das Katholisches LSBT+ Komitee?
Kirche bzw. Religion und die LGBTI*-Community ist ein Thema, bei dem immer mehr Entwicklung zu sehen ist. Es gibt eine Menge aufzuarbeiten. SCHWULISSIMO sprach mit dem Sprecher des LSBT+ Komitees Dr. Michael Brinkschröder. Im Gespräch erläuterte er, was das Komitee ist und macht, wie man die Kirche für LGBTI* attraktiver gestaltet, was das Komitee bisher erreicht hat, was die Bibel zu LGBTI* sagt und vieles mehr.
Was ist die Grundidee des LSBT+ Komitees?
Das Katholische LSBT+ Komitee ist eine Plattform, um katholische Kirchenpolitik für LGBTI* Personen zu koordinieren.
Wer ist Teil des Komitees?
Das Komitee besteht aus katholischen Mitgliedern verschiedener Vereine, Netzwerke und Gruppen. Dazu gehören z.B. die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V., das Netzwerk katholischer Lesben e.V. (NkaL), die Lesbischwulen Gottesdienstgemeinschaften (LSGG), die Katholischen Schwulen Priestergruppen Deutschlands (KSPD), die Initiative Homo Cusanus und die KjGay (als queere Gruppe innerhalb der Katholischen jungen Gemeinde, einem Jugendverband). Darüber hinaus gibt es auch Einzelpersonen, die sich engagieren.
Was macht das LSBT+ Komitee?
Wir sprechen mit Bischöfen, katholischen Verbänden und Reformbewegungen. Wir arbeiten beim Synodalen Weg mit, wo es drei queere Vertreter*innen in dem Forum gibt, das neue Ansätze für die katholische Sexualethik diskutiert. Von ihnen erscheint gerade ein Buch mit vielen Zeugnissen von Katholik*innen, die Mut machen (Mirjam Gräve, Hendrik Johannemann, Mara Klein (Hg.): Katholisch und queer. Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln, Paderborn: Bonifatius 2021).
Besonders eng arbeiten wir auch mit dem bundesweiten Arbeitskreis der diözesanen Beauftragten für LGBTI*-Pastoral zusammen, mit denen wir z.B. gemeinsame Konzepte für die zukünftige Ausbildung von Seelsorger*innen oder für eine offene Gemeinde entwickeln und eine Tagung über Trans*- und Inter*-Pastoral, die nächstes Jahr in der Katholischen Akademie in Bayern stattfinden soll.

Warum braucht es ein solches Komitee?
Das Komitee wird gebraucht, damit die Stimme der LGBTI* Personen in der katholischen Kirche gehört wird. Deswegen machen wir Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Uns gibt es jetzt seit 10 Jahren und wir haben schon nach Möglichkeiten für Fortschritte und Gesprächspartner*innen gesucht, als fast niemand daran geglaubt hat, dass sich auch die römisch-katholische Kirche ändern könnte.
Um die Kirche zu verändern, muss man Vertrauen aufbauen und einen sehr langen Atem haben. In den letzten zehn Jahren haben wir mit den Themen Segnungsfeiern und Einrichtung von LGBTI*-Pastoral in den Diözesen klare Schwerpunkte gesetzt und konsequent verfolgt.
So haben wir 2018 in Hamburg die erste theologische Tagung zu Segnungsfeiern in der katholischen Kirche angezettelt und mit vorbereitet. Neben diesem Tagungsband haben wir auch an einer Sammlung von Liturgien für Segnungsfeiern mitgearbeitet. Diese theologische Arbeit wurde begleitet von einer immer besseren Vernetzung.
Da uns das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bei der Einführung von Segnungsfeiern sehr unterstützt, gibt es hier auch eine breite Unterstützung im Laienkatholizismus bis hin zu zahlreichen Bischöfen. Dadurch ist es möglich geworden, dass diese Themen jetzt beim Synodalen Weg offiziell aufgegriffen werden. In diesem Jahr sind wir auch als Mitglied in die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Organisationen Deutschlands aufgenommen worden.
Wie der erste Rainbow Index for Churches in Europe gezeigt hat, liegt die katholische Kirche in Deutschland im Vergleich zu der in anderen Ländern an der Spitze, was LGBTI*-Inklusivität betrifft. Dies ist auch das Ergebnis der kontinuierlichen Arbeit unseres Komitees, auch wenn es bei der Inklusivität noch sehr viel Luft nach oben gibt.

Wie genau wird sich konkret für die Gleichberechtigung für LGBTI* eingesetzt?
Wir bereiten z.B. eine Tagung vor, die darauf abzielt das Arbeitsrecht für Mitarbeiter*innen der katholischen Kirche so zu ändern, dass eine gleichgeschlechtliche Heirat oder eine Transition kein Kündigungsgrund mehr sind. Nachdem etwa Erzieher*innen oder Personal in katholischen Krankenhäusern schon vorher von dieser Regel ausgenommen worden sind, bezieht sie sich gegenwärtig noch auf Mitarbeiter*innen im Verkündigungsdienst, also Leute, die in der Gemeinde arbeiten oder katholischen Religionsunterricht erteilen.
Im Hinblick auf Segnungsfeiern wird z.Z. intensiv darüber debattiert, inwiefern diese überhaupt ein sinnvolles Ziel sind, da manche meinen, dass nur die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe als Sakrament die volle Gleichberechtigung darstellt. Im Komitee sind wir jedoch davon überzeugt, dass eine Änderung der Theologie des Ehesakraments in so weiter Ferne liegt, dass wir sie momentan nicht erreichen können. Selbst Segnungsfeiern hat die Glaubenskongregation im März abgelehnt und es ist noch viel zu tun, damit diese anerkannt werden. Immerhin hat die Glaubenskongregation die internationale Diskussion erst so richtig entfacht, denn vorher war das fast nur ein Thema in deutschsprachigen Ländern.
Was hat das LSBT+ Komitee bisher erreicht?
Es gibt inzwischen in deutlich mehr als der Hälfte aller Diözesen Beauftragte für LSBTI*-Pastoral und noch einige weitere bereiten gerade ihre LGBTI*-Pastoral vor. Dies geschieht weitgehend unbemerkt von der queeren Öffentlichkeit, ist für uns aber ein wichtiger Prozess, da wir auf diese Weise wichtige Unterstützer*innen in den Diözesanverwaltungen gewinnen.
Wie kann man die Kirche attraktiver für LGBTI* gestalten?
Auf der einen Seite ist es wichtig, dass die normalen Pfarrgemeinden (bzw. -verbände) eine Haltung der Inklusivität von queeren Personen entwickeln. Wir haben gelernt, dass queere Personen ausdrücklich zu kirchlichen Veranstaltungen eingeladen werden müssen, weil sie sich sonst aufgrund der traditionell ablehnenden Haltung, die ja die offizielle Lehre weltweit immer noch prägt, nicht willkommen fühlen. Viele Gemeinden haben in diesem Jahr Regenbogenflaggen an ihre Kirchen geheftet, um ein solches Statement zu geben. Solche deutlichen Signale braucht es noch viel häufiger.
Als Voraussetzung für eine Veränderung in der Fläche der Kirche müssen jedoch zunächst noch Ängste überwunden werden, die bei manchen Gläubigen und Hauptamtlichen immer noch aus der Zeit der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in den Köpfen sind. Daher braucht es auch ermutigende Signale von den Bischöfen.
Auf der anderen Seite braucht es aber auch Angebote, wie z.B. die queeren Gottesdienste oder Besinnungstage, die sich speziell an LGBTI* wenden.
Was steht in der Bibel über Homosexualität bzw. LGBTI*?
Im Vergleich zur Debatte in der evangelischen Kirche vor 20-30 Jahren, die in manchen evangelikalen Gemeinden bis heute weitergeführt wird, spielt die Frage der Bibelauslegung in der katholischen Kirche in Deutschland eine eher geringe Rolle. Die Bibelwissenschaft ist sich weitgehend einig, dass man aus der Bibel keine Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften herauslesen kann, weil sie diese noch nicht kannte. Allerdings finde ich, dass man darüber noch weit hinausgehen kann, wenn man die Bibel queer liest und sich anschaut, welche Figuren der Bibel einen heteronormativen Denkrahmen von heute sprengen. Hier gibt es bei uns noch viel zu entdecken, wozu in den letzten Jahren vor allem im englisch-sprachigen Raum intensiv geforscht worden ist.

Wie ist die allgemeine Haltung in der katholischen Kirche gegenüber LGBTI*?
Wenn man unter „allgemein“ die Haltung des Papstes versteht, dann gibt es von Papst Franziskus vor allem die stetig wiederholte Botschaft, dass LGBTI*-Personen willkommen geheißen werden müssen und dass es pastorale Angebote für sie geben soll. Gleichzeitig jedoch gibt es bei ihm eine starke Aversion gegen Gender-Themen, die sich in vielen Ländern z.B. gegen transidente Menschen richtet. Hier könnte die Haltung kaum widersprüchlicher sein. Im Apparat der Kurie wie auch in der Weltkirche gibt es starke Kräfte, die an der bisherigen moraltheologischen Verurteilung homosexueller Handlungen festhalten möchten, aber es gibt auch viele Bischöfe, Priester und Theolog*innen, die sich für eine Änderung aussprechen oder LGBTI*-Themen aus der Perspektive der Menschenrechte betrachten. Auch hier gibt es starke Gegensätze. Gerade weil diese Gegensätze jetzt an die Oberfläche treten, können sie bearbeitet werden. Doch dazu müssen wir auch die weltkirchlichen Horizonte mitberücksichtigen.
Wie kann man Teil des Komitees werden?
Indem man eine E-Mail an katholischeskomitee@gmail.com schreibt.
Wie finanziert ihr euch und kann man euch unterstützen?
Wir finanzieren unsere Arbeit durch die Vereine und Netzwerke, die dazu gehören, vor allem durch die HuK. Fast noch wichtiger als eine Unterstützung durch Geld ist jedoch eine aktive Mitarbeit. Die katholische Kirche in Deutschland bewegt sich gerade auf so vielen Feldern, dass es für uns als Ehrenamtliche schwieriger wird, uns in jedem Feld und jeder Diözese kompetent einzubringen. Da können wir auf jeden Fall noch mehr Leute gebrauchen.