Bleib mutig! Der CSD in Lübeck will die Community stärken!
Seit rund 20 Jahren gibt es den CSD in Lübeck und er gehört inzwischen mit zuletzt rund 3.000 Besuchern zu den herzlichsten Pride-Paraden in Deutschlands Norden – doch auch mit der Ostsee vor der Nase ist nicht alles in Butter: Auch in Lübeck mit seinen rund 220.000 Einwohnern sind Anfeindungen gegenüber Homosexuellen und queeren Menschen nicht unbekannt. Unterstützung bekommt die Community von Lübecks SPD-Bürgermeister und CSD-Schirmherr Jan Lindenau. Zu Beginn der Pride-Woche Mitte August wird am Rathaus so auch die Regenbogenfahne gehisst, am Wochenende dann freut sich die Community auf ein großes zweitägiges Stadtfest und eine lebensfrohe Demonstration. SCHWULISSIMO sprach darüber mit CSD-Vereinsvorsitzenden Christian Till.
Wir erleben in diesem Jahr bei fast jedem CSD Anfeindungen gegenüber Pride-Teilnehmern. Wie werdet ihr in Lübeck dafür sorgen, dass alles sicher ist für die Besucher?
Eine umfassende Sicherheit wird es auch beim CSD in Lübeck nicht geben. Ein Restrisiko demonstriert und feiert immer mit. Jedoch werden auch wir in diesem Jahr mehr Ordner:innen bei der Demo und zusätzliches Sicherheitspersonal beim Straßenfest einsetzen. Längst gab es auch Gespräche mit der zentralen Ansprechstelle LSBTIQ* der Landespolizei, dem zuständigen Polizeirevier und unserem Security-Unternehmen. Gerade beim Straßenfest werden wir auf mehr Präsenz von Security und Polizei setzen.
In Gesprächen mit anderen CSD-Veranstaltern zeigte sich, dass es oft auch im Umfeld der CSDs Probleme gibt. Sprich, bei der Demo selbst sind die Teilnehmer geschützt, auf dem Weg nach Hause werden sie dann eher ein leichtes Ziel für homophobe Angreifer.
Das ist tatsächlich ein wachsendes Problem. Verlassen wir den sicheren Raum der Veranstaltung und sind durch Flaggen oder ähnlichem klar als queer auszumachen beziehungsweise werden auch nur der Community zugeschrieben, kann es zu blöden Sprüchen oder Beleidigungen kommen. Das bemerken wir selbst schon bei den Vorbereitungen oder dem Aufbau des CSD. Ich denke, dass die Community inzwischen in der Gesellschaft angekommen ist und auch akzeptiert wird. Doch nur, solange wir unterm Radar fliegen und hübsch angepasst den Vorstellungen unserer Nachbarn entsprechen. Während wir, was die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten angeht, einiges erreicht haben, sehen wir noch viel Arbeit vor uns, wenn es um die Geschlechtsidentität geht. Wir müssen weiter aufklären, sensibilisieren und sichtbar sein und bleiben.
Euer Motto in diesem Jahr lautet „#bleibMUTIG“ gerade mit Blick auf die steigenden Zahlen von homophober Hasskriminalität in Deutschland. Wie groß ist das Problem bei euch?
Genaue Zahlen liegen mir nicht vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch in Schleswig-Holstein die Zahlen steigen. Dies ist aber auch von zwei Seiten zu betrachten: Zum einen kann es daran liegen, dass es zu mehr Beleidigungen und Übergriffen kommt, zum anderen wird es vielleicht auch daran liegen, dass queerfeindliche Straftaten inzwischen häufiger angezeigt werden, was auf ein wachsendes Selbstbewusstsein queerer Menschen zurückzuführen ist.
Den ersten offiziellen CSD in Lübeck gab es 2002, hervorgegangen aus dem damaligen Schwul-Lesbischen Straßenfest. Was hat sich in den rund zwanzig Jahren seitdem verändert?
Ich bin seit dem ersten CSD in Lübeck dabei und erkenne schon einen großen Unterschied. Während die Community in den ersten Jahren noch größtenteils unter sich blieb, ähnelt das Straßenfest inzwischen einem großen bunten Stadtfest. Hier feiert die queere Gemeinschaft zusammen mit Lübecker:innen, die sich solidarisieren und die Atmosphäre zu schätzen gelernt haben.
Heute sind wir aus dem Veranstaltungskalender der Hansestadt nicht mehr wegzudenken. Ich erinnere mich auch noch daran, dass man Ende der 1990er noch klingeln musste, um in die eine oder andere schwule Bar zu kommen. Dies wäre heute nicht mehr denkbar, allerdings gibt es auch keine Bar mehr, die sich explizit einem queeren Publikum öffnet. Es zeigt sich dabei, dass vielen Menschen diese Orte inzwischen fehlen. Augenscheinlich wird es besonders bei der Altersstruktur des CSD. Wir sehen zu einem großen Teil junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren. Sie haben kaum noch Berührungsängste, sind mit queeren Events aufgewachsen und nehmen den Spirit des CSD mit nach Hause, in den Freundeskreis oder mit in die Schule.
Welche lokalen Themen sind für die Community aktuell wichtig?
Zu nennen ist hier an erster Stelle die finanzielle Absicherung der Arbeit der Aidshilfe und der Jugendarbeit. Sobald es kriselt, kreist der Rotstift schnell auch über diesen Institutionen. Es braucht ein klares Bekenntnis von Kommune und Land, hier nicht zu sparen und das Engagement gerade dieser Akteure zu unterstützen.
Auf was freust du dich in diesem Jahr besonders?
Mein persönliches Highlight wird wieder das Straßenfest sein. Während wir im letzten Jahr noch etwas vorsichtig waren, haben wir in diesem Jahr zwei Tage Liveprogramm auf der Bühne. Dabei legen wir noch mehr Wert auf musikalische Vielfalt. Von Schlager und NDW, Deutschrock und Charts, Synthie-Pop und 80ern ist alles dabei.
CSD Lübeck
18. + 19. August 2023
Mehr unter: luebeck-pride.de