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LGBTI*-Themen sorgen auch für Streit
Rubrik

Unzufrieden mit der Ampel Immer mehr Bürger hadern mit der Regierung

ms - 11.10.2022 - 10:00 Uhr

Auch in der Woche nach der Landtagswahl in Niedersachsen kommt im politischen Berlin keine Ruhe auf, ganz im Gegenteil offenbaren sich immer mehr auch Streitigkeiten und daraus resultierende Gräben innerhalb der Koalitionspartner der Ampel-Regierung. Besonders die FDP und die Grünen prallen dabei immer wieder aneinander, auch bei LGBTI*-Themen. Die Bevölkerung zeigt sich indes immer unzufriedener mit den drei regierenden Parteien, wie jetzt eine neue repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen in Zusammenarbeit mit Statista eindrucksvoll belegt.

Eines dieser Streitthemen ist das geplante Selbstbestimmungsgesetz, dessen finale Umsetzung sich offensichtlich weiter nach hinten verschiebt – warum, ist nicht eindeutig ersichtlich. Während die Linke wie die queer-politische Sprecherin Kathrin Vogler dies scharf kritisiert, erklärte der verantwortliche Queer-Beauftragte Sven Lehmann, dass alles seinen geplanten Gang gehen würde und die Kritik unseriös sei. Streit um das neue Selbstbestimmungsgesetz gab es aber auch zwischen Lehmann, seiner Partei den Grünen und der FDP. Bis zuletzt hatten die Grünen darauf gedrängt, dass mit dem neuen Gesetz Jugendliche ab 14 Jahren ohne Zustimmung ihrer Eltern das Geschlecht via Sprechakt auf dem Standesamt ändern können sollen. Die FDP war davon offensichtlich nicht begeistert, weshalb Justizminister Marco Buschmann im Juli bei der Präsentation erster Eckdaten zusammen mit der Familienministern Lisa Paus von den Grünen überraschend erklärte, Jugendliche ab 14 Jahren könnten den Geschlechterwechsel nur mit Zustimmung der Eltern oder ansonsten über den Weg eines Familiengerichts vollziehen. Tags darauf erklärte Lehmann wiederum, hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Ähnliche Streitfelder zeigen sich natürlich auch abseits von LGBTI*-Themen, beispielsweise aktuell auch bei der Energiepolitik. Die FDP flog nun nach bereits miserablen Wahlergebnissen bei vergangenen Landtagswahlen in diesem Jahr am vergangenen Sonntag schlussendlich sogar direkt aus dem Landtag in Niedersachsen. Parteichef Christian Lindner kündigte darauf jetzt an, man wolle die Rolle der FDP in der Regierung gänzlich neu überdenken – spannend die Frage, was dies bei künftigen Vorhaben im LGBTI*-Bereich bedeuten könnte, gerade wenn es wie beim Selbstbestimmungsgesetz massiv kritische Stimmen gibt. Zuletzt sorgte auch der Streit um die Causa Ferda Ataman für Zerwürfnisse in der Ampel-Koalition. Die Grünen wollten die höchst umstrittene Publizistin als neue Chefin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes etablieren, viele FDP-Mitglieder waren angesichts früherer Äußerungen von Ataman schockiert von dieser Wahl, letztendlich setzten sich die Grünen mit einer hauchdünnen Mehrheit trotzdem durch. Vor allem die Definition, was Rassismus sei, stand immer wieder in der Kritik. Der Politikwissenschaftler Ulrich Thiele konstatierte: „Der Streit kreist vor allem um Atamans Polemiken in ihrem Kampf gegen Rassismus, der bei ihr oft dort zu beginnen scheint, wo jemand nicht ihrer Meinung ist.“

Die FDP werde inzwischen nach Aussage von Andreas Busch, Professor für Vergleichende Politikwissenschaften und Politische Ökonomie an der Universität Göttingen, als eine Art von “Innerregierungs-Opposition" wahrgenommen, was der Partei schade. Generell scheinen immer mehr Bundesbürger aber im Ganzen sehr unzufrieden mit der Politik der Ampel-Koalition zu sein, bei allen drei Parteien sanken die Zustimmungswerte rapide, ganz unten im Keller befindet sich aktuell die FDP, gefolgt von den Grünen, die im Januar 2022 erst mit schwachen Plus-Werten starteten und nach einem kurzen Zwischenhoch massiv verloren und nun ebenso in der Skala im Minusbereich angekommen sind. Derzeit noch am besten steht die SPD da, deren Zustimmungswerte in puncto Zufriedenheit zwar auch massiv gesunken sind, allerdings aktuell noch nicht im Minusbereich verortet werden können. Salopp gesagt, die Ampel-Koalition ist in Seenot.

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