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Pink-Washing im Bundesverteidigungsministerium?

Kritik am Hissen der Regenbogenflagge Wie ernst meint es die Bundeswehr mit dem Einsatz für LGBTI*?

ms - 01.07.2022 - 14:00 Uhr

Seit heute weht vor dem Bundesverteidigungsministerium in Berlin die Regenbogenflagge als solidarisches Zeichen für LGBTI*-Menschen. Erstmals in diesem Jahr darf das Symbol der LGBTI*-Community offiziell zu bestimmten Anlässen vor Bundesgebäuden der Bundesregierung gehisst werden. Kritik wird indes jetzt von der queeren Community innerhalb der Bundeswehr, dem Verein QueerBw, laut – denn während sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gerne mit der Regenbogenflagge abbilden lässt, fehlen queere Vertreter aus den Reihen der Bundeswehr beinahe gänzlich. Eine Flagge allein beseitige weder die Diskriminierung noch andere Probleme, die queere Menschen innerhalb der Bundeswehr haben.

Die medial inszenierte Beflaggung sorgt gerade auch jetzt für Wut und Unbehagen, weil im Schatten der wehenden Regenbogenfahne es immer wieder zu queer-feindlichen und strukturellen Problemen im Umgang mit LGBTI*-Menschen kommt. Das jüngste Beispiel dreht sich um Anastasia Biefang – sie ist Stabsoffizierin der Luftwaffe im Dienstgrad eines Oberstleutnants und die erste offen transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin der deutschen Bundeswehr. Nachdem sie via Tinder nach Sex-Dates suchte, bekam Biefang von ihrem Arbeitgeber einen Verweis. Biefang ging dagegen vor, doch das Bundesverwaltungsgericht urteilte schlussendlich, dass der Verweis rechtens gewesen wäre, da ihr sex-positives Verhalten “Zweifel an ihrer moralischen Integrität“ offenbaren würde. LGBTI*-Verbände und auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, kritisierten dieses Urteil als grundsätzlich falsch und skandalös, weil es tief in das Privatleben einer Person eingreifen würde. “Das passt nicht in das Jahr 2022! Privatleben ist Privatleben und hat keine moralischen Auswirkungen auf die Art, wie man sein Amt ausführt. Ich habe mich sehr geärgert über dieses Urteil. Da gibt es offensichtlich noch Klärungsbedarf“, so Sven Lehmann gegenüber SCHWULISSIMO.

Der Fall Biefang steht dabei in einer ganzen Reihe von Ereignissen der letzten Zeit, die immer wieder Zweifel daran aufkommen lassen, wie fortschrittlich die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium tatsächlich in puncto LGBTI*-Community sind. QueerBw hatte auf den Fall Biefang clever reagiert und eine Reihe von anonymisierten Dating-Profilen von weiteren Mitgliedern der Bundeswehr unter dem Motto „Sex ist Privatsache – Raus aus unserem Bett“ veröffentlicht. Die jüngste Aktion des Flaggenhissens ohne Beteiligung der eigentlich betroffenen Personen wirft nun abermals ein schales Licht auf die Führungsspitze des Verteidigungsministeriums und stellt die Frage auf, wie ernst es die aktuelle Führungsriege tatsächlich mit Themen wie Diversität und Inklusion meint. Kurz zuvor beim 20-jährigen Bestehen von QueerBw hatte der Vorsitzende Sven Bäring noch erklärt: "Auf der Welt, in Europa und auch hier in Deutschland versuchen Menschen, Menschenrechte für jede und jeden in Frage zu stellen. Es ist unser aller Aufgabe zu zeigen: Nein, Menschenrechte sind unverhandelbar!" Fraglich, ob Verteidigungsministerin Lambrecht die Aussage inzwischen mitbekommen hat.

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