Endlich offen sein Was beim Coming-out helfen kann
Auch wenn Sexualität normalerweise im privaten Rahmen stattfindet, haben die meisten heterosexuellen Paare kein Problem damit, ihre Zuneigung auch öffentlich zu zeigen oder den neuen Partner oder die neue Partnerin in den sozialen Netzwerken der gesamten Bekanntschaft vorzustellen. Für viele LGBTI* ist genau das jedoch eine Hürde, die erst einmal überwunden werden muss. Denn was für Heteros „ganz normal“ ist, wäre für sie eine öffentliche Verlautbarung. So offen zu sein, fällt vielen Menschen noch immer schwer, auch wenn das Thema LGBTI* im Alltag und den Medien allgegenwärtig scheint.
Erkennen und nicht verdrängen
Manche Menschen erkennen ganz plötzlich, dass sie sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. Andere erfahren es erst im Laufe einer langen Entdeckungsreise. Nach dieser Erkenntnis kann es passieren, dass die Person mit sich hadert – gerade wenn sie aus einem Umfeld kommt, das wenig offen scheint. Dabei versuchen Betroffene oft, ihre sexuelle Orientierung zu verdrängen oder zu verleugnen. Wenn die Person ihre sexuelle Orientierung schließlich anerkennen kann, spricht man auch vom „inneren Coming-out“.
Offen vor anderen
Sich dann gegenüber Freunden und Familie offen zu zeigen, ist noch einmal ein schwieriger, aber wichtiger Schritt. Viele fürchten sich vor negativen Reaktionen aus dem Umfeld oder davor, plötzlich anders behandelt zu werden. Dennoch kann Offenheit das Selbstwertgefühl enorm stärken. Danach müssen sich Betroffene außerdem nicht mehr verstellen. Viele Sportprofis berichten auch davon, dass sie sich nach dem Coming-out frei fühlten und besser abschnitten, da sie ihre Energie nun auf den Sport konzentrieren können.
Selbstbestimmt und im eigenen Tempo
Leider gibt es keine ultimative Checkliste für das perfekte Coming-out, denn jede Person und jede Situation ist anders. Zuerst sei gesagt: Niemand MUSS sich outen! Daher sollte sich auch niemand dazu gezwungen sehen, sich der Familie oder Freunden gegenüber offen zu zeigen. Wer sich öffnen möchte, sollte allerdings für jedes (auf)klärende Gespräch genug Zeit einplanen und einen möglichst ruhigen Moment aussuchen.
Positive Erfahrungen sammeln
Wer sich zum Coming-out entschieden hat, kann sich nach und nach öffnen, und so durch gute Erfahrungen Kraft sammeln für schwierigere Gespräche. Da ist es sinnvoll, sich erst einer engen Freundin oder einem engen Freund anzuvertrauen – einer Person, die Mut macht und im besten Fall auch beim Coming-out vor dem weiteren Freundeskreis und in der Familie begleitend zur Seite stehen kann.
Auch wer das Umfeld schon über die eigene sexuelle Orientierung aufgeklärt hat, muss normalerweise immer wieder darüber sprechen oder sich zumindest damit auseinandersetzen. Nämlich dann, wenn neue Bezugspersonen oder Gruppen hinzukommen.
Was tun bei negativen Reaktionen?
Vor allem Personen, die bei einem Coming-out mit Unverständnis, Wut und Widerstand rechnen, sollten den Zeitpunkt bewusst so wählen, dass sie nicht akut von ihrem Umfeld abhängig sind. So können sie sich im Notfall für eine Weile zurückziehen. Sollte die eigene Offenheit auf Ablehnung stoßen, können Betroffene ihr Gegenüber daran erinnern, dass sich ihr Wesen dadurch nicht ändert – dass sie noch immer derselbe Mensch sind, auch wenn sie nun einen weiteren Teil von sich offenbart haben. Wenn die Reaktion auf das Coming-out nicht enthusiastisch war, sollte dem Umfeld etwas Zeit dazu eingeräumt werden, sich mit der neuen Information anzufreunden.
Hier gibt es Hilfe
Heute gibt es in vielen größeren Städten sogenannte Coming-out-Gruppen. Außerdem können Interessierte Info-Material über die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beziehen. Zusätzlich gibt es Foren, in denen sich Betroffene auch anonym austauschen und beraten lassen können – beispielsweise bei Pro Familia und bei queer-lexikon.net.