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Tanz um den Aluhut // © HomePixel

Apropos Leben Tanz um den Aluhut

rb - 27.06.2020 - 09:00 Uhr
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Unser Alien macht sich so seine Gedanken: „Neuerdings gibt es Menschen, die eine besondere Kopfbedeckung bevorzugen. Diese soll sie vor gefährlichen Strahlen schützen. Auch die schlimmen Absichten anderer Menschen sollen damit abgewehrt werden. In unserer Galaxie wurden solche primitiven Schutzvorkehrungen ja schon vor langer Zeit abgeschafft. Der Metallhut aus Aluminiumfolie kann selbst gebastelt oder im Internet passgenau bestellt werden. Dort gibt es auch viele Anleitungen, wie der Hut optimal zur Anwendung kommt. Denn gerade jetzt, wo die Menschheit durch das stachlige Virus bedroht ist, entwickeln sich ganz neue Interpretationen der Entwicklung. Manche sagen, dass mächtige Menschen die Gelegenheit nutzen, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Andere sagen, dass das Virus gar nicht existiert und die Regierungen damit nur die Freiheit einschränken möchte. Oder dass diese Krankheit sogar von den Regierungen in Umlauf gebracht wurde, mit ebendieser Absicht. Darüber wird heftig diskutiert.“

Das Phänomen der Verschwörungstheorien, oder vielmehr Hypothesen bzw. Behauptungen, ist nicht neu. Schon seit dem Mittelalter, und sicher auch schon davor, haben bestimmte Kreise Gerüchte in Umlauf gebracht. Es geht oft um Macht und Machterhalt. Das Ziel dieser Behauptungen waren oft Gruppen, die randständig waren und sozial nicht vollständig im Mainstream verortet waren. Diese wurden in Krisensituationen als Sündenböcke benutzt. Das sind die Top-Down-Varianten. So sollte Ungewolltes oder Unerklärbares erklärt, die Unordnung wieder in Ordnung gebracht, Sicherheit vermittelt und klare Feindbilder erzeugt werden. Von eigenem Verschulden sollte abgelenkt und Machtansprüche durchgesetzt werden. Manchmal waren auch die Absichten, die den Sündenböcken unterstellt wurden, identisch mit denen, welche die Verschwörungsbehauptungen in Umlauf brachten. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht: Heute stehen die Down-Top-Varianten im Vordergrund: Dies ist auch Ausdruck demokratischen Wesens. Wer die Entscheidungen der Mächtigen nicht mit Skepsis hinterfragt, gerät schnell in Abhängigkeit und riskiert seine Freiheit – zumindest in der Demokratie. Und wer entscheidet eigentlich, was eine Verschwörungsbehauptung ist, und was ernstzunehmende Skepsis? Oft wird hierzu die Wissenschaft herangezogen, deren Erkenntnisse seit der Aufklärung Maßstäbe setzt. Aber ist die Wissenschaft wirklich unabhängig? Sagt sie die Wahrheit? Oder kann sie als Machtinstrument benutzt werden? 

Große Verschwörungsbehauptungen der Zeitgeschichte kommen als spannende Erzählungen daher. Wurde ein mächtiger Mann von einer Gruppe interessierter Kreise erschossen, oder war ein Einzeltäter am Werk? War der Anschlag auf ein Symbolgebäude der westlichen Welt eine katastrophale Inszenierung von Regierung und Kapitalisten? Das reale Problem an diesen spektakulären Narrativen ist die reine Größe des Ereignisses: Wie sollte es gelingen, dass Hunderte von Beteiligten das Geheimnis der Verschwörung über Jahrzehnte geheim halten? Verschwörungsbehauptungen sind leider sinnstiftend in schwierigen Zeiten, als fabelhafte Drehbücher einer möglichen Realität sind sie in gewisser Weise „sexy“, weil sie eine gefühlte Sicherheit stiften in unsicheren Zeiten. Die Frage, wem die gegenwärtige Situation und die Reaktion darauf nützen könnte, ist legitim. Aber kann es nicht auch sein, dass die Mächtigen in der Gesellschaft keinen Masterplan haben, sondern nach bestem Wissen und Gewissen reagieren und regieren? Warum sollte man ihnen stets die totale Kontrolle über die Ereignisse unterstellen und böse Absichten zum Nachteil der Gemeinschaft? Vielleicht brauchen wir diese modernen Mythen als Orientierung, weil wir selber den Durchblick verloren haben.

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