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Amoklauf Colorado Springs
Rubrik

Amoklauf Colorado Springs Klare Anzeichen für ein Hassverbrechen sind entscheidend für das Urteil

ms - 23.02.2023 - 11:00 Uhr

Wann konkret liegt ein Hassverbrechen gegen die LGBTI*-Community vor? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit die Ermittler im Fall des nicht-binären Anderson Lee Aldrich, der in rund 300 Punkten angeklagt ist – darunter Mord und versuchter Mord. Aldrich wird vorgeworfen, im November letzten Jahres im Gay-Club Q in Colorado Springs fünf Menschen erschossen zu haben. Ist es daher nicht logisch, dass der mutmaßliche Täter aus Hass gegenüber LGBTI*-Menschen handelte?

Die wichtige Frage nach dem Motiv

Ganz so einfach ist der Fall nicht – die Frage, ob wirklich ein Hassverbrechen vorliegt oder nicht, muss eindeutig beantwortet werden und hat in der Konsequenz erhebliche Auswirkungen auf ein mögliches Strafmaß. Handelte der Täter kalkuliert aus Menschenhass heraus, oder ist es die Tat eines geistig verwirrten Amokläufers, der wahllos andere Personen erschoss? Die US-Ermittler sind angehalten, in einer mehrtägigen Anhörung eindeutige Beweise vorzubringen, die belegen müssen, dass Aldrich tatsächlich aus Hass heraus gehandelt haben soll.

Bisher konnten die Ermittler aufzeigen, dass der 22-jährige Angeklagte Hass-Postings auf einer rechtsradikalen Homepage gepostet hat. So soll Aldrich unter anderem ein Bild eines Zielfernrohrs veröffentlicht haben, das auf eine Gay Pride Parade gerichtet war, begleitend dazu ein Schießtrainingsvideo, das seit geraumer Zeit online bereits kursierte. Immer wieder soll er zudem auf mehreren Online-Seiten in bigotter Weise Schwule beleidigt haben. Zudem steht die Vermutung im Raum, dass der Angeklagte versucht haben soll, den Amoklauf per Livestream ins Internet zu übertragen – dafür hatte Aldrich offenbar sein Smartphone an seinem eigenen Hut festgeklebt. Außerdem wurden in Aldrichs Wohnung nebst Material zur Herstellung von Waffen auch eine Zeichnung des Clubs sowie durchlöcherte regenbogenfarbige Zielscheiben von Schießständen gefunden – all das deutet auf ein bewusst geplantes Hassverbrechen hin.

Anderson Lee Aldrich am Tag der Festnahme

Hass auf Homosexuelle – oder doch nicht?

Allerdings zeigen die Ermittlungen eben auch, dass in Aldrichs Zimmer verschreibungspflichtige Medikamente zur Behandlung von Schizophrenie, einer bipolaren Störung sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung gefunden worden waren. Ob es eine offizielle Diagnose gibt, ist bisher nicht bekannt. Zudem war Aldrich offenbar vor der Schießerei mindestens sechs Mal an unterschiedlichen Tagen im Club Q gewesen, ohne dass es dabei zu Zwischenfällen gekommen ist. Nach Angaben der leitenden Kriminalbeamtin Rebecca Joines habe Aldrichs ebenso nicht-binäre Mutter ihr Kind dazu gezwungen, in Gay-Clubs zu gehen.

Auch in der Nacht der Schießerei besuchte Aldrich bereits vor Mitternacht den Club, verließ ihn dann allerdings wieder, kehrte dann kurz nach 12 Uhr nachts mit einem Gewehr und einer Pistole zurück und eröffnete wahllos das Feuer, so die Ermittler weiter. Handelte Aldrich also aus Hass gegenüber Homosexuellen oder aus anderen Motiven heraus? Eine finale Entscheidung darüber muss das Gericht noch fällen, noch ist unklar, ob wirklich genügend Beweise für ein Hassverbrechen vorliegen. Obwohl Aldrich sich als nicht-binär identifiziert und die Pronomen “they“ und “them“ verwendet, kann er auch als Mitglied der LGBTI*-Community trotzdem wegen eines Hassverbrechens gegen jene Community angeklagt werden – die US-Gesetze konzentrieren sich nur auf die Opfer, nicht auf die Täter in diesem Fall.

Weitere Details zum Amoklauf

Gestoppt worden war Aldrich zunächst vom Navy-Soldaten Thomas James, der nach dem Lauf des Gewehrs griff und sich dabei die Hand verbrannte. Der Kampf ging weiter, Aldrich schoss dem US-Soldaten dabei mit seiner Handfeuerwaffe mindestens einmal in die Rippen, so die Polizei. James kämpfte nach Auswertung der Videoaufzeichnungen geschwächt trotzdem weiter, bis der Armee-Veteran Richard Fierro Aldrich entwaffnen konnte und mit der Handfeuerwaffe auf den Amokläufer einschlug, bis dieser zu Boden ging und die Polizei im Club eintraf.

Fierro blieb weitestgehend unverletzt, der angeschossene James sollte zeitnah in einem Krankenwagen abtransportiert werden, machte seinen Platz aber für einen anderen Verletzten frei. Er überlebte glücklicherweise trotzdem. Nachdem die Schießerei beendet war, versuchte Aldrich vergebens der Polizei zu erklären, ein anderer Gast habe geschossen. Die Ermittler indes fanden am Tatort mehrere Hochleistungsmagazine, die jeweils 40 bis 60 Schuss fassen können. Seit der Schießerei in Aurora, Colorado, im Jahr 2012 ist es im Bundestaat verboten, ein Magazin mit mehr als 15 Schuss mit sich zu führen.

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