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LGBTI*-Proteste im Iran
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LGBTI*-Proteste im Iran Mutige Teenager fordern iranische Führung heraus

ms - 12.10.2022 - 12:00 Uhr

Nach Angaben von LGBTI*-Aktivisten aus dem Mittleren Osten mischen sich immer mehr auch homosexuelle und queere Menschen unter die Demonstranten, die ein Ende des Regimes fordern – vor allem junge Menschen und sogar Schüler hinterfragen die strikten Richtlinien und die islamischen Glaubensgesetze, die seit über 40 Jahren Gültigkeit im Land haben. Angestachelt durch den Tod der jungen Mahsa Amini während ihres Polizeigewahrsams aufgrund der Weigerung, ein Kopftuch korrekt zu tragen, erkennen nun auch homosexuelle Menschen, die bisher versteckt im Iran gelebt haben, dass die Chancen auf einen Wandel in ihrer Heimat wahrscheinlich noch nie so groß war wie heute – trotz alledem ist jeder Protest gegen das strikte Regime nicht nur mutig, sondern vor allem nach wie vor lebensgefährlich. Erst vor wenigen Wochen wurden zwei lesbische Frauen zum Tode verurteilt, weil sie über Social Media über die Gräueltaten und Missstände gegenüber der LGBTI*-Community berichtet hatten. Insgesamt sollen seit der Einführung der Scharia als oberste gesetzliche Direktive im Jahr 1979 mehr als sechstausend homosexuelle Männer hingerichtet worden sein, so seriöse Schätzungen von mehreren Menschenrechts-Organisationen.

Auch politische Experten der Region sprechen inzwischen davon, dass gerade die Teilnahme von Schülern aber auch von anderen Gesellschaftsgruppen wie LGBTI*-Aktivisten abseits von der zuerst protestierenden Gruppe der Frauen einen wesentlichen Unterschied zu früheren Protesten machen würde. Die Deutsche Welle erklärte diese Woche, dass die Proteste im Iran inzwischen tiefer und weiter in die Gesellschaft hineinreichen als jemals zuvor. Trotz scharfer Sanktionen sind vor allem junge Menschen auch im Iran gut vernetzt, sodass die Proteste trotz aller Versuche der Verschleierung seitens der Regierung nicht ungesehen bleiben – die Welt sieht zu. Inzwischen zeigen Videos auch weibliche Schülergruppen, die während des Unterrichts allesamt ihre diskriminierenden Kopftücher abnehmen, um gegen die Unterdrückung und den Kopftuchzwang zu demonstrieren. Gleichzeitig werden Portraits des Republikgründers Ruhollah Chomeini und seines Nachfolgers Ali Chamenei in den Klassenzimmern abgehängt und zertrampelt.

Saeed Dehghan, ein in Kanada lebender iranischer Rechtsanwalt und Mitglied der Anwaltsvereinigung International Bar Association (IBA), erklärte dazu gegenüber der Deutschen Welle: "Die heutigen Schüler sind die Generation des Internets und der Kommunikation, und dank der sozialen Medien haben sie ein stärkeres politisches Bewusstsein als frühere Generationen. Sie haben erkannt, wer für die aktuelle Situation im Iran verantwortlich ist, und deshalb greifen sie Chamenei und die Islamische Republik in ihren Äußerungen und Aktionen direkt an." Indes versucht die Regierung nach wie vor, die Kontrolle über die Situation zurückzuerlangen. Wie willensstark das Bündnis von Teenagern, Schülern, Frauen und Homosexuellen ist, zeigt auch die Tatsache, dass trotz der hohen Zahl der bisherigen Todesopfer im Zusammenhang mit den Protesten die Demonstrationen unbeirrt weitergehen. Nach Angaben von Amnesty International wurden bisher über 130 Demonstranten umgebracht, unter ihnen auch mindestens drei Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren. LGBTI*-Aktivisten der ersten Stunde blicken weltweit auch deswegen mit Hoffnung in den Iran, da gerade ein starkes Bündnis zwischen Frauen und Homosexuellen in vielen Ländern immer wieder letzten Endes in der Vergangenheit zu politischen Umstürzen und mehr Rechten für alle Beteiligten gesorgt hat.

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