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Anstieg von Hassverbrechen in der Schweiz und Österreich // © Oleksandr Filon
Rubrik

Anstieg von Hassverbrechen Hass und Gewalt gegenüber LGBTI* wird zum europäischen Problemfall

ms - 18.05.2022 - 13:15 Uhr

Auch aus den Nachbarländern Deutschlands werden jetzt alarmierende Zahlen gemeldet – die Übergriffe gegenüber queeren Menschen steigen auch in der Schweiz und in Österreich rapide an. Die jüngsten Zahlen machen deutlich: Hassverbrechen gegenüber LGBTI*-Menschen sind ein länderübergreifendes Problem in Europa.

 

In Österreich werden Gewalttaten gegenüber der LGBTI*-Community überhaupt erst seit November 2020 erfasst, trotzdem konnte das Innenministerium bereits einen deutlichen Anstieg verzeichnen.

Im Jahr 2021 kam es so offiziell zu 376 Hassverbrechen in Österreich, wobei die Datenerfassung wie auch in Deutschland zeigt: Der allergrößte Teil der Übergriffe kommt gar nicht erst zur Anzeige. Mit Blick auf die ersten Zahlen von 2022 ist davon auszugehen, dass sich die Übergriffe binnen kürzester Zeit verdreifacht haben.

Der österreichische Gleichbehandlungssprecher der SPÖ, Mario Lindner, spricht davon, dass eine ganze Generation vor dem Kollaps stehe. Mit scharfen Worten kritisiert er die österreichische Regierung: „Nicht nur beim Diskriminierungsschutz, sondern auch bei Konversionstherapien, dem Blutspendeverbot oder dem Kampf gegen Hate Crime erleben wir nur Ausreden und Stillstand. Es ist höchste Zeit, dass die derzeitige Stillstandsregierung ihre Blockaden aufgibt und endlich in die Gänge kommt!“

 

Ähnlich dramatisch präsentiert sich die Lage in dieser Woche in der Schweiz: Der neuste Hate Crime Bericht der queeren Dachverbände belegt, dass binnen eines Jahres die Anzahl der Hassverbrechen im Jahr 2021 um 50 Prozent zugenommen hat. Diese massive Zunahme ist deckungsgleich mit den jüngsten Ergebnissen aus Deutschland, auch hier stieg die offizielle Anzahl der Fälle um 50 Prozent an.

 

In der Schweiz werden Gewalttaten gegenüber queeren Menschen bisher nicht von der Regierung erfasst, sondern von dem Opferverein LGBT+Helpline und das auch nur in zwei Kantonen und der Hauptstadt Zürich. Der Dachverband besteht aus der Lesbenorganisation Schweiz (LOS), Transgender Network Switzerland (TGNS) und dem Pink Cross.

Offiziell kam es in den drei Regionen in der Schweiz so zu 92 Übergriffen, wobei der Dachverband ebenso wie die Organisationen in Deutschland und Österreich festhält, dass die Dunkelziffer realistisch geschätzt um bis zu 90 Prozent höher liegen dürfte. In der Schweiz könnte auch die Debatte und die festgelegte Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Juli 2022 zu einem zusätzlichen Spannungsverhältnis innerhalb der Bevölkerung gesorgt haben – so die Annahme des Dachverbandes. Kurz gesagt: Mehr Sichtbarkeit erzeugt auch mehr Angriffe.

 

Auch in anderen Punkten sind in den drei Ländern frappierende Ähnlichkeiten festzustellen: Oftmals werden die Opfer immer jünger, zumeist handelt es sich zudem bei den Übergriffen um Körperverletzungen und Beschimpfungen.

In der Schweiz fallen rund 80 Prozent der Fälle in diese zwei Kategorien. Jeder dritte queere Schweizer erlebte physische Gewalt, einer von zehn wurde ernsthaft verletzt. Ähnlich wie in Deutschland fordert auch der Dachverband in der Schweiz schnellstmöglich einen Nationalen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit – ein entsprechendes Papier wurde bereits im Nationalrat eingereicht, allerdings sieht dieser und der Schweizer Bundesrat bisher keinen Handlungsbedarf.

Beide Länder, Österreich und die Schweiz, appellieren zudem dafür, Hassverbrechen gegenüber LGBTI* endlich konkret zu erfassen – eine Forderung, die mit Blick auf die Datenerfassungssituation in vielen Polizeistationen auch in Deutschland immer wieder laut wird.        

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