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Bringt Rot-Grün wirklich etwas?
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Was bringt Rot-Grün wirklich? Was kann Rot-Grün für LGBTI* in Niedersachsen bewirken?

ms - 12.10.2022 - 10:00 Uhr

Einen kritischen Blick wirft der geschäftsführende Vorstand Frank Gommert der Vereinigung TransSexuelle-Menschen e.V. in Niedersachsen auf die bisherigen Ankündigungen von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seinem neuen Wunsch-Koalitionspartner Bündnis 90 / Die Grünen. Nach der vergangenen Landtagswahl am Sonntag steht einem neuen, rot-grünen Bündnis grundsätzlich nichts mehr im Wege und auch die Grünen haben bereits ihr starkes Interesse an einer Regierungsbeteiligung bekundet.

Politische queere Vertreter sowie einige LGBTI*-Verbände begrüßten die grundsätzliche Entwicklung und setzen große Erwartungen in das mögliche neue Bündnis – nicht so Gommert selbst: „ Es mag vielleicht durchaus sein, dass die wahrscheinliche neue Landesregierung pauschal LGBTI*-freundlich ausgerichtet sein kann, aber das bedeutet konkret noch lange nicht, dass sie auch Transsexuellen-freundlich sein wird, oft ist eher das Gegenteil der Fall. Sehr fraglich dürfte auch sein, wie Lesben-freundlich diese neue Regierung sein wird, ich sehe das mit sehr kritischem Blick. Frauenfreundlich wird sie ganz sicher nicht sein!“ Gommert und die Vereinigung TransSexuelle-Menschen blicken so beispielsweise sehr kritisch auf das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz und erklärten gegenüber SCHWULISSIMO bereits, dass Menschen, die sich heute als transsexuell bezeichnen, obwohl sie trotzdem nicht unter einer Geschlechtsdysphorie leiden und in ihrem biologischen Körper verbleiben wollen, Menschen mit tatsächlicher Transsexualität (NGS) massiven Schaden zufügen würden. Im Grunde würden Menschen, die unter einem gegensätzlichen Genitalkörper leiden, damit nicht nur verleugnet, sondern salopp gesagt auch der Lächerlichkeit preisgegeben. Mit der angedachten neuen Rot-Grünen-Landesregierung würde dieser unreflektierte Kurs wahrscheinlich auch in Niedersachsen mit aller Kraft weitergeführt werden.

Auch die oftmals selbsternannten oder von der Regierung bestimmten offiziellen Vertreter der LGBTI*-Community sieht Gommert sowohl in Niedersachsen wie aber auch bundesweit sehr kritisch: „Die Aussagen vom Queer-Beauftragten Herrn Lehmann erlebe ich aus dem Blickwinkel unserer Vereinsarbeit ohnehin eher als sehr bedenklich. Oftmals nehme ich das so wahr, dass Herr Lehmann nur noch nachplappert, was ihm von Trans*Aktivistischen Vertretern vorgesagt und abgefordert wird.“ Während der Verein noch unter der alten schwarz-roten Koalition der Bundesregierung bei Fragen rund um Transsexualität beratend zur Verfügung stand, ist dies heute nach Aussagen von Gommert anscheinend nicht mehr erwünscht. Der kritische Blick auf aktuelle Gesetzesvorhaben in Niedersachsen wie in Deutschland dürfte laut Gommert zudem dazu führen, dass der Verein es jetzt noch schwerer haben dürfte, überhaupt Fördermittel aus Landesfinanzen zu bekommen. Laut dem Vorstand der Vereinigung Transsexuelle-Menschen fließen Gelder an Organisationen, die sich dem politischen Mainstream des "Genders" entsprechend positioniert haben.

Benjamin Rottmann, der Vorsitzende des LSVD Niedersachsen-Bremen, erklärte bezüglich der Niedersachsen-Wahl: „Wir brauchen endlich einen queer-politischen Aufbruch in unserem Bundesland.“ Gommert kontert dazu: „Nein, brauchen wir so nicht! Diesen sogenannten queer-politischen Aufbruch gab es schon in den Jahren 2012 bis 2015 und einige Zeit darüber hinaus, wobei anfangs noch ´Transsexuelle & Transgender´ berücksichtigt wurden, doch man dann ab 2016 nur noch ´Trans*Personen´ beachtete und diese Agenda dann so auch von Vereinen fortgeführt und unterstützt wurde. Wir als Verein wurden anfangs noch mit einbezogen, bevor sich die Agenda offensichtlich änderte, je stärker es Richtung Trans*Personen ging, desto weniger wurden wir tatsächlich Betroffenen noch beachtet und mittlerweile haben wir gar keine Kontaktmöglichkeit mehr zu den aktuellen Referatsleitern in Niedersachsen.“ Kurzum, anstatt wirklich auf die Belange von Menschen mit Transsexualität einzugehen, sei immer mehr nur noch Wert auf politischen Aktivismus gelegt worden – mit Blick auf Niedersachsen dabei oftmals auch an den Belangen der meisten LGBTI*-Menschen vorbei: „Es wäre endlich mal an der Zeit, gerade in diesem großen Flächenland, zu begreifen, dass die LGBTI*-Menschen in den Großstädten und jene auf dem Land durchaus sehr unterschiedlich leben und dementsprechend auch sehr differente Bedürfnisse und Prioritäten haben. Offensichtlich wollen oder können das die selbsternannten LGBTI*-Vertreter in den Großstädten nicht sehen“, so Gommert abschließend.

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