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Kritik an Filmförderung
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Kritik an Filmförderung Warum werden queere Filme in Deutschland nicht gefördert?

ms - 06.03.2023 - 16:12 Uhr

Werden queere Filmschaffende in Deutschland von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) im Stich gelassen? Björn Koll ist Vorstand der Queeren Kulturstiftung und war bis Ende 2022 für über 30 Jahre geschäftsführender Gesellschafter des Filmverleihers Salzgeber. In einem Brandbrief übt er jetzt scharfe Kritik an der Geldvergabe des Amtes der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die deutsche Filmförderung hatte so im Jahr 2021 laut Koll rund 314 Millionen Euro zur Verfügung – obwohl sich die Bundesregierung die Förderung von Vielfalt im Film auf die Fahnen geschrieben hat, gingen und gehen Filme mit LGBTI*-Themen offensichtlich fast immer leer aus. Koll stellt die simple Frage: Warum werden queere Filme in Deutschland nicht gefördert?

Filme aus queerer Perspektive

Neben festgelegten Statuten entscheiden am Ende in Deutschland 109 Menschen in den verschiedenen Jurys der Filmförderung des BKM darüber, welche Filmprojekte finanziell unterstützt werden und welche nicht. Turnusgemäß wurden diese Jurys Anfang dieses Jahres für die kommenden Jahre neu besetzt und Kulturstaatsministerin Roth hatte die Möglichkeit, auf Vorschläge verschiedenster Verbände zurückzugreifen, darunter auch zwölf Filmexperten der Queer Media Society. Fünf Personen des Verbandes schafften es in eine Jury, vier davon allerdings nur als Stellvertreter – womit sie laut Koll de facto nichts zu entscheiden haben. „Die deutsche Filmförderlandschaft kümmert sich neuerdings um ´Diversity´ und das am liebsten mittels Checklisten. Die Anzahl an queeren Nebenrollen wächst. Das ist gut so, aber könnte nicht auch ab und zu mal ein Film aus einer tatsächlich queeren Perspektive erzählt werden?“, so Koll weiter.

Deutsche LGBTI*-Themen werden nicht gefördert

Das Heikle daran: Beinahe alle deutschen Filme mit queeren Thematiken der letzten Jahre wie beispielsweise “Futur Drei“, “Neubau“ oder ganz aktuell “Drifter“ und “Knochen und Namen“ wurden allesamt komplett ohne Förderung hergestellt. „Was passiert da in den Jury-Sitzungen und warum sind es immer wieder die queeren Stoffe, die aus welchen Gründen auch immer abgelehnt werden?“, so Koll fragend weiter.

Im Gegensatz zu verständlichen Forderungen nach 50 Prozent Frauen im Business, würde sich Koll schon über ein Prozent queere Quote freuen, bisher offensichtlich vergebens. Sowohl in Österreich wie auch in der Schweiz oder auch Frankreich entstanden viele der, oftmals später auch international prämierten LGBTI*-Filme mit Finanzierung der Regierung – Deutschland scheint dies nicht zu schaffen oder nicht zu wollen. Schlimmer noch, selbst ureigene deutsche Filmstoffe wie “Paragraph 175“ aus dem Jahre 2000 oder der, für den Oscar nominierte Film “Große Freiheit“, inhaltlich ebenso eine Geschichte über den Paragrafen 175 in Deutschland, entstanden in Österreich beziehungsweise mit Geld aus den USA. Der deutschen Filmförderung war das Thema offenbar nicht wichtig genug.

Heiße Luft, aber kein wirklicher Einsatz für LGBTI*?

Filmexperte Koll dazu: „Kann es vielleicht auch sein, dass der ziemlich bescheidene Zustand des deutschen Films auch mit dem ziemlich bescheidenen Zustand der Entscheidungskompetenz der Jurys zusammenhängt, die fast grundsätzlich jedes Wagnis, jedes Anderssein, alles Außergewöhnliche und auch Queere eben nicht fördern?“ Bis zuletzt hatte Koll gehofft, dass Claudia Roth bei ihrer jüngsten Entscheidung queere Filmemacher mehr im Blick hat. „Die Entscheidung von Claudia Roth, die Vorschläge der Queer Media Society in die zweite Reihe – in der eben nichts entschieden wird – zu verbannen, ist eine weitere verpasste Chance für den deutschen Film (…) Vielleicht könnte Claudia Roth ihre Rede („LGBTIQ-people are human“) beim Teddy Award auf dem Flur ihrer Behörde wiederholen und ihr Augenmerk auf die Förderrealität in Deutschland lenken.“

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