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Goethe-Universität Frankfurt und die Suche nach dem Eklat
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Erneut Streit an Universität? Goethe-Universität Frankfurt und die Suche nach dem Eklat

ms - 29.07.2022 - 12:00 Uhr

KOMMENTAR

Als Student in der heutigen Zeit hat man es nicht mehr leicht – stand früher das Studium selbst, die Mehrung von Wissen und auch die Vertiefung von sexuellen Kontakten und den Smalltalk-Qualitäten bei Partys im Zentrum des studentischen Lebens, muss der moderne Student von heute, der gerne auch als Studierender bezeichnet wird, selbst wenn er gerade schläft oder eben zwischen Party und Sex eine etwas andere Wissensbereicherung betreibt, stets aufpassen, ob er nicht versehentlich jemanden verletzt, nur weil er zum Beispiel wie an der Berliner Humboldt-Universität einen Basisgrundlagenkurs in Biologie abhält.

Zu einem erneuten “Eklat“ kam es laut offizieller Pressemitteilung der Hochschulgruppe Rosa*Liste der Goethe-Universität Frankfurt nun bei der Wahl des neuen Präsidiums des Studierendenparlaments, wobei auch hier die Studenten nicht studierten, während sie sich und andere Studierende ins Studierendenpräsidium des Studierendenparlaments wählten – aber das ist eine andere Geschichte. In einer rund fünfstündigen Sitzung wurde Rosa Vogler von der Rosa*Liste gewählt – sie ist damit die wahrscheinlich erste trans-Frau, die ein Amt als “stellvertretende Studierendenparlaments-Präsident*in“ in der Bundesrepublik begleitet, so die Rosa*Liste. Wir gratulieren herzlich!

Heikel wird die Sache, weil nach Angaben der Studierenden während der Studierendensitzung die Liberale Hochschulgruppe daraufhin durch Zwischenrufe immer wieder die „demokratische Ordnung des Parlaments in die Lächerlichkeit“ zog, so die Rosa*Liste. Alle anderen Studierenden, die jetzt die Zwischenrufe der Liberalen studierten und wahrhaft Studierende waren, verurteilten dieses Verhalten scharf. Als Grund für die Erschütterung der Demokratie von Seiten der Liberalen wird die Tatsache genannt, dass die Liberale Hochschulgruppe zuvor dreimal bei der Wahl der stellvertretenden Parlaments-Präsident*in gescheitert war – die Liberalen schoben also Frust, das kennen wir auch aus der bundesdeutschen Politik. Und wie so oft war wohl auch hier die Reaktion der Liberalen Realitätsverweigerung (“Ein Geschwindigkeitslimit auf Autobahnen bringt gar keine Entlastung“) und Schuldverschiebung auf andere. Soweit so bekannt.

Es gab daraufhin noch mehrere Ordnungsrufe gegen einen liberalen Abgeordneten, der zum Schluss sogar von der weiteren Sitzung ausgeschlossen wurde. Das war es dann auch schon – also mit dem großen “Eklat“. Zusammenfassend lässt sich sagen: Pickelige Jungs in weißen Hemden mit Winchester-Kragen verloren eine Wahl und stänkerten rum. Davon war wohl auch eine trans-Frau betroffen, ergo ein handfester Skandal. Das, ursprünglich aus dem Französischen kommende, maskuline Substantiv “Eklat“ definiert sich übrigens als „ärgerliches, sehr großes Aufsehen, gleichwohl ein stark erregendes gesellschaftliches oder politisches Ereignis“. Die Definition findet sich in Büchern, die Studenten früher einmal studierten, bevor sie pauschal Studierende waren. Wie geartet die Zwischenrufe des liberalen Bösewichts konkret waren, teilte die Rosa*Liste in ihrer eigens dafür veröffentlichen, zweiseitigen Pressemitteilung übrigens nicht mit. Es müssen fürwahr schreckliche, grausame, trans- und menschenverachtende, also insgesamt gesellschaftlich und politisch zutiefst verstörende Worte von emotional schwer verletzender Tragweite gewesen sein, die wahrscheinlich nur deswegen nicht mit veröffentlicht wurden, um bei den Studierenden, die gleichzeitig “Zeug*innen des Eklats“ und Betroffene waren, nicht eine Re-Traumatisierung auszulösen. Passend zum Namensgeber der betroffenen Goethe-Universität lasset uns abschließend sagen: "Es hört doch nur jeder, was er versteht."

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