Direkt zum Inhalt
Missbrauch der Selbstbestimmung
Rubrik

Betrug bei Selbstbestimmung In Spanien vollzogen Dutzende Polizisten einen Personenstandswechsel, um offenbar schneller befördert zu werden

ms - 08.03.2024 - 10:00 Uhr

Erneut macht ein skurriler Fall von Gesetzesmissbrauch rund um ein Selbstbestimmungsgesetz in diesen Tagen Schlagzeilen: In Spanien haben sich mehrere Dutzend Polizei- und Militärbeamte binnen der letzten zwölf Monate juristisch als Frau umdefiniert, um offenbar Vorteile bei der Arbeit, der Karriere und der Besoldung zu bekommen.

Neue Schlagzeilen bei umstrittenen Gesetz

Möglich macht dies das bis heute umstrittene Selbstbestimmungsgesetz, das vor einem guten Jahr entgegen aller Kritik in Kraft getreten ist. Zuvor hatten mehrere Fachverbände, Frauen-Organisationen, schwul-lesbische Vereine aber auch Fachärzte davor gewarnt. Die sozialistische Regierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte mit einer knappen Mehrheit das Gesetz trotzdem durchgesetzt, federführend war dabei die damalige Gleichstellungsministerin Irene Montero.

Das neue Gesetz ermöglicht den juristischen Geschlechtswechsel bereits bei Minderjährigen, jedwede medizinische oder anderweitig verpflichtende Überprüfung einer vermeintlichen Geschlechtsdysphorie entfällt. Auch müssen Menschen, die einen Personenstandswechsel vollziehen, weder ihr Aussehen oder ihren Namen ändern. Ähnliches ist beim geplanten Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland angedacht.

Legaler Betrug?

Diesen Zustand machten sich jetzt wohl in Spanien bisher 41 Polizeibeamte und Mitarbeiter des Militärs in Ceuta im Alter von 40 bis 50 Jahren zunutze. Alle Männer leben weiter mit ihren Familien und Kindern zusammen und abgesehen von vier Personen haben sie auch weder ihren Namen noch ihren Familienstand geändert – die spanische Press  spricht daher offen von Betrug, der allerdings legal ist.

Insgesamt gab es nach Angaben des Justizministeriums in Madrid allein in der kleinen Stadt binnen eines Jahres 49 Anträge. In der Stadt an der nordafrikanischen Küste direkt an der Straße von Gibraltar sind rund 4.500 Polizisten und Militärangehörige stationiert, da die Region unmittelbar an Marokko grenzt und als Einfallstor für Flüchtlinge gilt. Hier müssen sich die Vorteile eines Geschlechtswechsels auf dem Papier inzwischen herumgesprochen haben.   

Mehr Vorteile als offizielle Frau

Die Frage nach dem Warum ist dabei schnell geklärt: Als offizielle Frau ist es für die Beamten durch die Frauenquote deutlich einfacher, Beförderungen zu bekommen und schneller die Karriereleiter nach oben zu kommen – und damit auch ein höheres Einkommen zu erzielen. Zudem dürfen Frauen bei der Polizei und dem Militär körperlich besonders anspruchsvolle Aufgaben und Einsätze ablehnen. Wird eine Person, die sich als Frau definiert, außerdem künftig bei einer Beförderung übergangen, kann diese auf „geschlechtsspezifische Diskriminierung“ klagen.

Der Armeegefreite Roberto Perdigones ist einer jener Männer – er verdient seit der Personenstandänderung mehr Geld und lebt in einer besseren Unterkunft, wie er der Zeitung El Español gegenüber freimütig bestätigte: „Äußerlich fühle ich mich wie ein heterosexueller Mann, aber innerlich bin ich jetzt lesbisch. Und letzteres ist es, was zählt. Deshalb habe ich die legale Chance genutzt, mich zur Frau zu erklären. Mit der Geschlechtsänderung hat man mir erklärt, dass auch mein Pensionsanspruch gestiegen ist, denn Frauen bekommen mehr Pension, um die Ungleichheit auszugleichen. Außerdem erhalte ich bereits jetzt 15 Prozent mehr Gehalt, weil ich ja nun auch Mutter bin.“

Perdigones war bisher der Vater eines 16-jährigen Jungen. Und weiter: „Ich habe jetzt sogar ein eigenes Zimmer inklusive eigenem Badezimmer für mich ganz allein in der Kaserne. Das liegt daran, weil ich ja als Frau nicht mit Männern zusammen untergebracht sein kann und ich es auch aus Respekt nicht für angemessen halte, mit biologischen Frauen zusammen zu sein.“ Äußerlich hat sich Perdigones nicht verändert, er trägt auch weiterhin Vollbart.  

Kein Einzelfall

Der offensichtliche Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes in Spanien ist dabei kein Einzelfall – bereits im letzten Jahr kam es zu sehr ähnlichen Vorfällen in Australien. Zahlreiche männliche Polizeibeamte im Bundesstaat Victoria hatten sich hier überraschend als nicht-binär definiert, teilweise binnen weniger Tage mehr als ein halbes Dutzend auf einzelnen Polizeistationen.

Die Vorteile liegen auch hier auf der Hand: Nicht-binäre Menschen werden im bürokratischen Verfahren der australischen Polizei weiblichen Beamten zugeordnet, was bedeutet, dass nicht-binäre Polizisten wie ihre weiblichen Kolleginnen jedes Jahr umgerechnet rund 800 Euro mehr an Zuschüssen bei den Zulagen für die Zivilkleidung bekommen. Ein Personenstandswechsel kann in Victoria durch einen Online-Antrag erfolgen, auch hier besteht keine Nachweispflicht von fachkundiger Seite. Die Polizeiaufsichtsbehörde hatte bereits im letzten Jahr die Ermittlungen aufgenommen, zeigte sich aber am Ende machtlos gegen die gesetzlichen Vorgaben.   

Auch Interessant

Haftstrafe für Neonazi

Attentatspläne auf Community

2022 wurde ein schottischer Extremist gefasst, nun endlich folgte die Verurteilung. Der Neonazi wollte LGBTI*-Menschen "mit Blut bezahlen" lassen.
Schutz für LGBTI*-Jugendliche

Paris Hilton feiert neue US-Gesetz

Jahrelang hat sich Paris Hilton für einen besseren Schutz von Jugendlichen in Heimen eingesetzt, jetzt wurde das Gesetz im US-Kongress verabschiedet.
Schwulenhass in Michigan

Attentat auf Homosexuelle geplant

In einer Massenschießerei wollte ein 22-Jähriger Amerikaner so viele Homosexuelle wie möglich töten, durch Zufall konnte er vorab verhaftet werden.
Krisenmodus Weihnachten

US-Verbände warnen vor Problemen

US-Gesundheitsexperten warnen vor einer Krise: Ablehnung im Kreis der Familie erleben LGBTI*-Menschen besonders stark zur Weihnachtzeit.
Appell an Joe Biden

Queere Verbände gegen Militärgesetz

Queere Verbände kritisieren scharf das neue Bundesgesetz des US-Militärs: Werden Militärangehörige und ihre Regenbogenfamilien künftig diskriminiert?
Kritik an der Drogenpolitik

Zu wenig Zusammenarbeit landesweit

Es gibt erste positive Schritte, doch insgesamt zu wenig Zusammenarbeit bei der Drogenpolitik. Ein rapider Anstieg von Überdosierungen ist denkbar.
Gewalt in Berlin

Attacken auf LGBTI*-Menschen

Die Gewalt in Berlin gegen LGBTI* nimmt weiter zu: Über 90% der mutmaßlichen Täter sind junge Männer, die Opfer sind zumeist Schwule und Bisexuelle.
Niederlage vor Gericht

Anti-Homosexuellen-Gesetz in Ghana

Der Oberste Gerichtshof in Ghana schmetterte Klagen gegen das geplante Anti-Homosexuellen-Gesetz erneut ab - wann tritt das Verbot jetzt in Kraft?